Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldsache Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Kindergeld (Widerspruchsbescheid vom 18. September 1996)
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Sozialhilfeträger, der einem Kind i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG Sozialhilfe gewährt, hat gem. § 104 SGB X i.V.m. § 74 Abs. 5 EStG aus übergeleitetem Recht Anspruch auf Kindergeld. Der Anspruch ist nicht gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bei übersteigen der Hilfe zum Lebensunterhalt von 12.000 DM ausgeschlossen.
2. Das Arbeitsamt –Familienkasse – ist als Beklagte durch den Präsidenten des Landesarbeitsamtes wirksam vertreten,
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 24.09.1998; Aktenzeichen VI R 110/97) |
Tenor
Der Ablehnungsbescheid vom 13. August 1996 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 18. September 1996 wird aufgehoben und es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, ab 29. Mai 1996 Kindergeld in gesetzlicher Höhe für D. K. zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger als Sozialhilfeträger Anspruch auf Kindergeldleistungen geltend machen kann.
R. K. (R. K.) – Sozialhilfeempfänger – beantragte am 31. Mai 1996 die Zahlung von Kindergeld für seinen Sohn D. K. (D. K.). Darius K. ist am 18. Januar 1976 geboren. Er übte in der Zeit vom 7. August 1995 bis 14. Mai 1996 eine Arbeit aus. Danach wurde er arbeitslos. Er bewohnt eine eigene Wohnung in …. Er bezog im Jahr 1996 von der Stadt Celle Hilfe zum Lebensunterhalt sowie Wohngeld in Höhe von insgesamt 1.255,67 DM. Wegen der Berechnung im einzelnen wird auf Bl. 11, 12 der Kindergeldakte Bezug genommen.
Das Arbeitsamt … lehnte mit Bescheid vom 13. August 1996 den Antrag auf Kindergeldleistungen unter Hinweis darauf ab, daß die eigenen Bezüge des D. K. die Einkommensgrenzen, die durch § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) gezogen seien, überstiegen.
Der Kläger, der mit Schreiben vom 3. Juni 1996 einen Erstattungsanspruch gemäß § 104 Sozialgesetzbuch X. (SGB) angemeldet hatte, erhob hiergegen gemäß § 91 a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) mit der Begründung Einspruch, daß für die Berechnung der maßgeblichen Einkommensgrenze gewährte Sozialhilfe außer Betracht zu bleiben habe. Das Arbeitsamt wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, die Klagebefugnis ergebe sich aus § 91 a BSHG.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsamtes … handele es sich bei Kindergeldleistungen um eine Sozialleistung im Sinne des § 91 a BSHG. Es bestehe ein Antragsrecht des Sozialhilfeträgers auf alle Sozialhilfeleistungen.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsamtes seien Leistungen nach dem BSHG nicht als Einkommen des Kindes anzurechnen mit der Folge, daß die Leistung von Kindergeld ausgeschlossen sei. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz der Nachrangigkeit des § 2 BSHG. Das Kindergeld sei in vollem Umfang auf die Hilfe zum Lebensunterhalt anzurechnen.
Der Kläger beantragt,
den Ablehnungsbescheid vom 13. August 1996 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 18. September 1996 aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, ab 29. Mai 1996 Kindergeld in gesetzlicher Höhe für D. K. zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der in § 31 EStG geregelte Familienleistungsausgleich werde entweder durch die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes in Gestalt des Kinderfreibetrages nach § 32 EStG oder durch Kindergeld nach dem X. Abschnitt des EStG bewirkt. Ein Steuerpflichtiger habe grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er den Kinderfreibetrag nach § 32 EStG oder das Kindergeld nach dem X. Abschnitt des EStG in Anspruch nehmen möchte. Daraus folge, daß Kindergeld seit der Neuregelung im Januar 1996 keine Sozialleistung im Sinne des SGB darstelle, sondern eine einkommensteuerliche Regelung zur Freistellung des steuerlichen Existenzminimums eines Kindes. Die einkommensteuerlichen Regelungen orientierten sich lediglich an den entsprechenden Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes alter Fassung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Der Kläger ist gemäß § 91 a BSHG in Verbindung mit § 41 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) klagebefugt.
Nach § 91 a Satz 1 BSHG kann der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben. Das besondere Feststellungsinteresse im Sinne des § 41 FGO folgt aus § 74 Abs. 5 EStG in Verbindung mit § 104 SGB X. Danach ist der zuständige Träger der Sozialhilfe, der mit seinen Leistungen in Vorlage getreten ist, berechtigt, den Kindergeldanspruch geltend zu machen.
2. Die Beklagte ist im Verfahren wirksam vertreten. Die beklagte Bundesanstalt für Arbeit ist gemäß § 189 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Gemäß § 209 AFG führt der Präsident der Beklagten die laufenden Verwaltungsgeschäfte, insoweit vertritt er die Beklagte gerichtli...