vorläufig nicht rechtskräftig
Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH [III R 40/21)]
Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Weiterbildung zum Facharzt ist kein Teil einer einheitlichen erstmaligen Berufsausbildung
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einer im Anschluss an das Medizinstudium absolvierten Facharztweiterbildung handelt es sich lediglich um eine Zweitausbildung (Weiterbildung). Die Erstausbildung des Kindes endet mit Abschluss des Medizinstudiums durch Ablegung der ärztlichen Prüfung.
- Das Berufsziel des Kindes ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium dafür, ob es sich noch um eine Erstausbildung handelt.
- Die Ausbildung im Rahmen der Facharztweiterbildung tritt hinter die Berufstätigkeit des Kindes zurück. Die Facharztweiterbildung stellt keinen Teil einer einheitlichen Berufsausbildung des Kindes dar, da die Weiterbildung nur Nebensache ist.
- Bei der Weiterbildung zum Facharzt handelt es sich nicht um ein Ausbildungsdienstverhältnis, da das Kind seine Vergütung für die Tätigkeit als Arzt in Weiterbildung vorwiegend für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung erhält und nicht als Vergütung für die Teilnahme an einer Berufsausbildungsmaßnahme.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Sätze 2-3, § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin für ihre im Mai 1997 geborene Tochter, die als in Weiterbildung befindliche Ärztin tätig war, einen Anspruch auf Kindergeld für den Monat April 2021 hat.
Die Klägerin bezog zunächst laufend Kindergeld für das Kind. Mit Schreiben vom…Februar 2021 beantragte die Klägerin formlos, das Kindergeld für das Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes festzusetzen. Nach Angaben der Klägerin habe das Kind am…Dezember 2020 das Ergebnis der Abschlussprüfung im Rahmen ihres Medizinstudiums erhalten. Zum 1. Januar 2021 habe das Kind ihre mindestens 60-monatige Weiterbildung zur Kinderärztin in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule…begonnen. Hierdurch wolle das Kind das angestrebte erste Berufsziel Kinderärztin erreichen. Die Qualifizierung zur Kinderärztin stelle einen integralen Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung des Kindes dar.
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 11. März 2021 ab dem Monat April 2021 die Festsetzung des Kindergeldes für das Kind gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf, da das Kind nach den vorliegenden Unterlagen im Monat März 2021 ihre Hochschulausbildung beenden werde.
Am…März 2021 reichte die Klägerin weitere Unterlagen bei der Beklagten ein, unter anderem eine Erklärung zu einer Erwerbstätigkeit bei abgeschlossener Erstausbildung eines volljährigen Kindes sowie ein Zeugnis über die Ärztliche Prüfung vom…November 2020 und eine Arbeitsbescheinigung der Medizinischen Hochschule…vom…März 2021. Aus einem von der Klägerin übersandten Artikel aus der Tageszeitung vom…Juli 2013 ergibt sich, dass das Kind bereits bei Ablegung ihres Abiturs im Jahr 2013 den Wunsch geäußert hat, nach dem Abschluss des von ihr angestrebten Medizinstudiums, Kinderärztin zu werden.
Den formlosen Antrag auf Kindergeld vom…Februar 2021 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16. März 2021 ab dem Monat April 2021 ab. Das Kind habe ihr Studium beendet und befinde sich somit nicht mehr in Ausbildung (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes – EStG –). Ein Kind, welches eine (Hochschul-)Ausbildung zum Arzt absolviere, könne nur bis zum Bestehen der ärztlichen Prüfung kindergeldrechtlich berücksichtigt werden.
Mit Schreiben vom…März 2021 legte die Klägerin gegen die beiden Bescheide vom 11. März 2021 und 16. März 2021 Einspruch ein. Sie wiederholte ihr Vorbringen, dass die Qualifizierung des Kindes zur Kinderärztin einen integralen Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung zum ersten angestrebten Berufsziel darstelle. Sie bezog sich hierfür auf das Urteil des Finanzgerichts (FG) Thüringen vom 27. März 2018 2 K 308/17 (BeckRS 2018, 9486). Erst nach ihrer Facharztausbildung sei das Kind befähigt, ihren angestrebten Beruf als Kinderärztin auszuüben.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 9. April 2021 wies die Beklagte beide Einsprüche als unbegründet zurück. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Berücksichtigung volljähriger Kinder lägen ab dem Monat April 2021 nicht vor. Das Kind habe ein Hochschulstudium der Medizin absolviert und habe sich damit in Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befunden. Die Ausbildung sei jedoch am…Dezember 2020 mit Abschluss des Medizinstudiums beendet worden. Eine sog. mehraktige Berufsausbildung könne vorliegend nicht angenommen werden.
Vorliegend seien – wie vom Bundesfinanzhof gefordert – zwar zeitnahe objektive Beweisanzeichen dafür, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, gegeben, da das Kind die Fortführung der Ausbildung unmittelbar nach Abschluss des Medizinstudiums im Dezember 2020 anstrebte....