Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Vorliegen einer quotenbestimmenden Teilungsanordnung bei rein testamentarischer Verteilung des gesamten Vermögens
Leitsatz (redaktionell)
- Die Frage der Erbeinsetzung kann das Gericht – ggf. abweichend vom Nachlassgericht – selbst überprüfen.
- Bei der Auslegung von Testamenten ist der wirkliche Erblasserwille zu erforschen.
- Für das Vorliegen einer Erbeinsetzung spricht, wenn praktisch über das gesamte Vermögen verfügt wurde.
- Wird nahezu das gesamte Vermögen testamentarisch verteilt, ohne dass eine Erbeinsetzung vorliegt, ist eine quotenbestimmende Teilungsanordnung gegeben.
- Beim Nachweis der Bekanntgabe durch Empfangsbekenntnis bestimmt sich der Zugangstag nach dem vom Anwalt eingetragenen Datum.
- Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit der im Empfangsbekenntnis enthaltenen Angaben ist zulässig.
Normenkette
AO § 122 Abs. 5; VwZG § 5 Abs. 1; ZPO § 418 Abs. 1; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1
Streitjahr(e)
1994
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist neben der Zulässigkeit der Klage die Frage, ob die Klägerin aufgrund ihrer Stellung als Erbin oder aufgrund von Vorausvermächtnissen zu besteuern ist.
Die Klägerin ist gewillkürte Erbin des am xx. Februar 1993 verstorbenen W. Die Nachfolge wurde in einem notariellen Testament vom 26. Juli 1991 geregelt, dessen Vorwort wie folgt lautet:
„… Bei Abfassung dieses Testaments war ich von dem Gedanken getragen, das von mir ererbte Familienvermögen sowie das von mir hinzu erworbene Vermögen zusammenzuhalten und weiter in meiner Familie zu belassen in der Hoffnung, dass auch die durch dieses Testament Begünstigten die Tradition meiner Familie fortsetzen.
Ich wollte keines der Kinder benachteiligen, hoffe jedoch andererseits, dass meine Kinder insbesondere die von mir vorgenommene Teilungsanordnung akzeptieren, wobei ich klarstelle, dass es neben der Teilungsanordnung zu keiner weiteren Erbauseinandersetzung unter den Erben auf der Basis dieses Testaments kommen darf. Sollten meine Kinder dieses Testament und die getroffenen Teilungsanordnungen ohne weitere Ausgleichsverpflichtungen nicht akzeptieren, so haben sie nur die Möglichkeit, die Erbschaft auszuschlagen. Bei demjenigen Kind, das die Erbschaft ausschlägt, sind bei der dann vorzunehmenden Pflichtteilsberechnung auch die Vermögenswerte hinzuzurechnen, die es zu Lebzeiten von mir geschenkt erhalten hat. … „
Der Erblasser wurde nach I dieses Testaments von seinen drei Töchtern M, H und G zu gleichen Teilen beerbt, mit Ausnahme der Nachlassgegenstände, über die er im Nachfolgenden verfügt hat. Unter II wurden vom Erblasser Teilungsanordnungen folgenden Inhalts ausgeworfen:
Die Tochter G erhält den Grundbesitz in der BRD, sowie die Beteiligungen an inländischen gewerblichen Vermögensgesellschaften zusätzlich der darauf beruhenden Belastungen und Schulden sowie einen Anteil von 10 v.H. am Barvermögen, maximal jedoch 500.000 DM. Die Tochter M erhält 55 v.H. des Restbarvermögens, H 45 v.H. des Restbarvermögens. Ausweislich der Regelungen im Testament hat der Erblasser hierbei berücksichtigt, dass die Tochter H Grundstücke nach seiner Ehefrau erhält.
Unter III werden verschiedene Vermächtnisse ausgeworfen, z.B. Nießbrauch an einem Grundstück für die Ehefrau, Geldvermächtnisse für die Enkelkinder i.H.v. 6 x jeweils 50.000 DM sowie eine Verfügung, dass der Enkel C nach der Mutter den gewerblichen Grundbesitz erhalten soll. Weiterhin wurden weitere Vermächtnisse zugunsten des Sportvereins, des Gesangvereins sowie ein mietfreies Wohnen für einen Polier des Unternehmens ausgeworfen.
Ausweislich der Aufstellung des Testamentsvollstreckers besteht der Nachlass aus inländischem Grundvermögen, inländischen Gesellschaftsbeteiligungen, Barvermögen, Wertpapieren, sonstigen Beteiligungen an der G-Unternehmensgruppe, die im Vergleichs- bzw. Liquidationsstadium befindlich waren sowie zwei Gesellschaften in den USA. Lediglich Letzteres wurde nicht durch die Teilungsanordnung einer der Erbinnen zugeordnet. Das Vermögen beträgt mit Steuerwerten ohne Schulden nach einer Aufstellung des Testamentsvollstreckers für die Klägerin mit 1/3 ca. x,x Mio. DM und ist mit Schulden von y,y Mio. DM belastet. Das Vermögen in den USA beträgt hierbei knapp 500.000 DM. Das gesamte Vermögen beläuft sich nach Steuerwerten auf zz,z Mio. DM, die Schulden betragen a Mio. DM, das Vermögen in den USA insgesamt 1,34 Mio. DM. Die inländischen Grundstücke sind hierbei mit 140 v.H. des Einheitswertes enthalten.
Im ursprünglichen Erbschaftsteuerbescheid vom 24. Mai 1994 berücksichtigte der Beklagte eine Erbquote von jeweils 1/3. Dagegen wurde vom Klägervertreter Einspruch wegen der Berücksichtigung einzelner Werte und anhängiger zivilrechtlicher Rechtstreitigkeiten eingelegt. Er hat hierbei argumentiert, dass hinsichtlich der Zuwendungen an die Klägerin Vorausvermächtnisse vorlägen. Sowohl M wie auch H haben ihren Einspruch zurückgenommen.
In der Ein...