Leitsatz

1. Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 15 UStG gilt als (vorsteuerabzugsberechtigter) Unternehmer bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuüben und erste Investitionsausgaben für diesen Zweck tätigt.

2. Leistet der Unternehmer für die Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung eine Anzahlung, bevor die angezahlte Leistung an ihn bewirkt ist, so ist für den Vorsteuerabzug auf seine Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung abzustellen.

3. Ist eine Grundstücksvermietung beabsichtigt, kommt es darauf an, ob der Unternehmer das Grundstück steuerfrei vermieten oder auf die Steuerfreiheit der Grundstücksvermietung (§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG) gemäß § 9 UStG verzichten will. Im erstgenannten Fall ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen, im letztgenannten Fall nicht.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1991/1993, § 15, § 17 UStG 1991/1993, Art. 10 Abs. 2 6. EG-RL, Art. 17 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb 1995 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück mit einer vom Verkäufer noch zu errichtenden Gewerbeeinheit. Die Klägerin entrichtete eine Kaufpreisrate zzgl. Umsatzsteuer und machte diese 1995 als Vorsteuern geltend, da sie die Gewerberäume steuerpflichtig vermieten wollte. Der Verkäufer teilte der Klägerin 1997 mit, dass das Gebäude nicht errichtet werden könnte. Die Klägerin erhielt die Netto-Kaufpreisrate (ohne Umsatzsteuer) zurück.

Das FA versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass die Klägerin mangels tatsächlicher Ausführung von Vermietungsumsätzen nicht auf ihre Steuerfreiheit habe verzichten können.

 

Entscheidung

Der BFH stellt unter Hinweis auf das EuGH-Urteil Breitsohl zum einen klar, dass die Klägerin bereits mit der Anzahlung auf den Kaufpreis eine erste Investitionsausgabe für eine unternehmerische Tätigkeit getätigt habe und sie die Absicht hatte, mit den Gewerberäumen eine solche auszuüben.

Zum anderen sei unter Hinweis auf das EuGH-Urteil Schlossstraße unter Berücksichtigung der Verwendungsabsicht ein Recht zum Vorsteuerabzug auch in Fällen zu gewähren, in denen es nicht mehr zur beabsichtigten Leistungsverwendung komme. Bei geleisteten Anzahlungen sei deshalb auf die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt der Anzahlung abzustellen. Die Verwendungsabsicht müsse in gutem Glauben abgegeben und durch objektive Anhaltspunkte belegt werden. Der Vorsteuerabzug sei im Jahr der Rückerstattung gem. § 17 UStG zu berichtigen, wenn der Unternehmer im Jahr der Anzahlung aufgrund seiner Absicht den Vorsteuerabzug erhalten habe und die Anzahlung später zurück erstattet werde.

 

Hinweis

Seit den EuGH-Entscheidungen in Sachen Schlossstraße und Breitsohl steht fest, dass das Recht zum Vorsteuerabzug endgültig im Zeitpunkt des Leistungsbezugs zu gewähren ist. Voraussetzung ist alleine, dass der Unternehmer seine Verwendungsabsicht in gutem Glauben abgegeben hat und durch objektive Anhaltspunkte belegen kann.

Diese nunmehr gefestigte Rechtsprechung hat der BFH konsequenterweise auch für den Fall angewendet, in dem der Unternehmer tatsächlich keine Eingangsleistung erhalten, dennoch auf eine solche geplante Investitionsmaßnahme eine Anzahlung geleistet hat. Nach zutreffender Auffassung des BFH tätigt der Unternehmer auch bereits mit einer Anzahlung eine für den Vorsteuerabzug entscheidende Investition. Kann er die Absicht der steuerpflichtigen Verwendung objektiv glaubhaft machen, steht ihm der Vorsteuerabzug im Zeitpunkt der geleisteten Anzahlung zu.

Wird die Anzahlung wegen nicht Realisierung der Baumaßnahme zurückerstattet, wird eine Vorsteuerberichtigung gem. § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG ausgelöst, wirksam gem. § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG im Zeitpunkt der Rückerstattung.

Beachten Sie bitte, dass der BFH seine Rechtsprechung entgegen Abschn. 148 Abs. 5 i.V.m. Abschn. 203 Abs. 3 UStR 2000 bestätigt hat und die Absicht, optieren zu wollen, auch ohne tatsächliche Ausführung des Verwendungsumsatzes, ausreichen lässt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.5.2001, V R 38/00

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