Leitsatz (amtlich)
1. Der Zinsanspruch gem. § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG setzt einen Anspruch auf Barabfindung voraus und kommt deshalb nur in Betracht, wenn der Aktionär den Anspruch auf die Barabfindung mit Abgabe der Annahmeerklärung erworben hat.
2. Ein Anspruch auf Zinsen für die Ausgleichszahlung, die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag für die außenstehenden Aktionäre vorgesehen ist, kann nicht aus einer analogen Anwendung von § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG hergeleitet werden.
Normenkette
AktG §§ 304-305
Verfahrensgang
LG Dortmund (Urteil vom 22.09.2010; Aktenzeichen 20 O 5/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 22.9.2010 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des LG Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 4.009,70 EUR
Gründe
I. Die allein das Berufungsverfahren betreibende Klägerin zu 1) (im Folgenden nur: Klägerin) macht gegen die Beklagte Zahlungsansprüche nach einem aktienrechtlichen Spruchverfahren geltend.
Unter dem 16.1.1989 hatte die Beklagte - seinerzeit noch firmierend unter E GmbH - mit der W AG einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen, der am 1.4.1989 in Kraft trat und in dem sich die W AG verpflichtete, die Leitung ihrer Gesellschaft der Beklagten zu unterstellen und ihren gesamten Gewinn an die Beklagte abzuführen.
Auf der Grundlage von gutachterlichen Stellungnahmen verpflichtete sich die Beklagte in dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zum Erwerb der Aktien jedes außenstehenden Aktionärs auf dessen Verlangen hin gegen eine näher bezeichnete Barabfindung je Vorzugs- und Stammaktie mit einem Nennbetrag von 50 DM. Ferner garantierte sie den außenstehenden Aktionären der W AG für die Dauer des Vertrages einen jährlichen Mindestgewinnanteil (Ausgleichszahlung) je Vorzugs- und Stammaktie.
In dem vom LG Dortmund aus diesem Anlass durchgeführten Spruchverfahren (20 AktE 4/94) ist die den Aktionären der W AG zu gewährende Barabfindung abweichend von dem vertraglichen Angebot festgesetzt worden. Der in dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsbetrag vereinbarte und gezahlte Ausgleich ist durch die Spruchentscheidung demgegenüber nicht korrigiert worden. Sämtliche gegen die Spruchentscheidung des LG Dortmund eingelegten Beschwerden sind durch Beschluss des OLG Düsseldorf vom 27.5.2009 (I26 W 1/07 AktE) zurückgewiesen worden.
Nach den vom LG getroffenen Feststellungen überstiegen in den Jahren 1991 bis 1993 die (auf die Abfindungsbeträge zu zahlenden) Zinsen jeweils die Höhe der geschuldeten Ausgleichsbeträge.
Die vermeintlich von der Klägerin gehaltenen Aktien hat sie nach ihrem eigenen Vortrag nach 1993 über die Börse veräußert; einen Abfindungsanspruch hatte sie gegenüber der Beklagten zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht.
Die Klägerin, die behauptet hat, bis einschließlich 1993 65 Stammaktien und zunächst 42 und ab 1993 jedenfalls noch 23 Vorzugsaktien der W AG gehalten zu haben, macht mit der Klage einen Zinsbetrag i.H.v. 4.009,70 EUR gegen die Beklagte geltend. Wegen der Berechnung dieses Betrages wird auf die Anlagen K3 (Bl. 11 GA) sowie K9a (Bl. 48 GA) verwiesen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass ihr der Zinsanspruch trotz der späteren Veräußerung der Aktien aufgrund der Grundsätze, die in der Jenoptik-Entscheidung des BGH (Urt. v. 8.5.2006 - II ZR 27/05) niedergelegt seien, zustehe. Auch wenn sie - was unstreitig ist - das Optionsrecht auf Zahlung der Abfindung nicht ausgeübt habe, bedeute dies nicht, dass Zinsen nicht auch auf den Ausgleichsanspruch zu zahlen seien; der Zinsanspruch stelle gleichsam einen Annexanspruch zum Ausgleich dar.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und hat die Ansicht vertreten, dass die Klägerin schon deswegen keinen Anspruch auf die Zahlung von Zinsen habe, weil der Zinsanspruch einen Anspruch auf Barabfindung voraussetze, der ihr aber nicht mehr zustehe, da sie nach Veräußerung der Aktien das Abfindungsoptionsrecht nicht mehr ausüben könne.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Klägerin der geltend gemachte Zinsanspruch schon dem Grunde nach nicht zustehe, da der Zinsanspruch nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG einen Anspruch auf Barabfindung voraussetze. Da die Klägerin ihre Aktien veräußert habe, habe sie als außenstehende Aktionärin das Recht verloren, das Abfindungsangebot anzunehmen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie rügt, dass das LG zu Unrecht davon ausgehe, dass nur derjenige einen Anspruch auf Zinsen nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG habe, der die Aktien bei der Beklagten zur Entgegennahme der Barabfindung selbst eingereicht habe oder nachweisen könne, dass sein Rechtsnachfolger die Barabfindung angenommen habe. Da es sich bei dem Zinsanspruch um nichts anderes handele als um eine Ergänzung zum Ausgleichsanspruch, den sie erhalten habe, sei es nur log...