Entscheidungsstichwort (Thema)
Annexkompetenz der Gesellschafterversammlung für Rechtsgeschäfte in unmittelbarem Zusammenhang mit der Organstellung des Geschäftsführers
Leitsatz (amtlich)
1. Die ausschließliche interne Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung für alle das Anstellungsverhältnis des Geschäftsführers betreffenden Vereinbarungen erfasst - vorbehaltlich abweichender individueller Satzungsregelungen - auch andere Rechtsgeschäfte, die mit der Organstellung des Geschäftsführers in unmittelbarem Zusammenhang stehen.
2. Schließt der Geschäftsführer einer GmbH mit sich selbst bzw. mit einer Gesellschaft, in welcher er als Gesellschafter-Geschäftsführer fungiert, einen Vertrag über Dienstleistungen, welche typischerweise in einem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geregelt werden oder zumindest im unmittelbaren inhaltlichen Zusammenhang mit der Geschäftsführung stehen (z.B. Analyse der Betriebsabläufe in Unternehmen und Beratung über deren Optimierung), so fällt dieser Vertrag ebenso in die originäre Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung, wie ein Geschäftsführer-Anstellungsvertrag selbst.
3. Ein Geschäftsführer, der im Widerspruch zu den Vermögensinteressen der Gesellschaft auf der Grundlage eines mit sich selbst geschlossenen Vertrages Vergütungsleistungen auf deren Kosten in Anspruch nimmt, ohne hierfür äquivalente Gegenleistungen zu erbringen, verletzt die sich aus seiner Organstellung ergebenden Unterlassungspflichten und macht sich nach § 43 Abs. 2 GmbHG schadenersatzpflichtig.
Normenkette
GmbHG § 43 Abs. 2, § 46 Nr. 5
Verfahrensgang
LG Magdeburg (Urteil vom 26.03.2013; Aktenzeichen 31 O 86/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 26.3.2013 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 1. Kammer für Handelssachen des LG Magdeburg wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil des Senats und das o.a. Urteil des LG sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt den Beklagten als ihren ehemaligen Geschäftsführer in Regress.
Die Klägerin wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung zu UR-Nr. D 1029/2011 des Notars P. D. in Q. vom 15.9.2011 mit einem Stammkapital von 25.000 EUR vom Beklagten (Anteil: 12.000 EUR) und von V. N. (Anteil: 13.000 EUR) gegründet; ihr Gesellschaftszweck besteht gem. § 1 des Gesellschaftsvertrags vor allem im Betreiben von Hotels und Gesundheitshotels. Sie wurde am 15.12.2011 im Handelsregister eingetragen. Es war vorgesehen, dass der Mehrheitsgesellschafter der Klägerin in der Startphase erhebliche Darlehen gewährt.
Zugleich mit der Gründung wurde der Beklagte zum alleinvertretungsberechtigten, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer der Klägerin bestellt.
Die Klägerin erwarb am 1.11.2011 aus einer Insolvenzmasse das H. Hotel in A. und verfolgte das Ziel, dieses Hotel in eine Gesundheits- und Wellnesseinrichtung umzuwandeln und so zu betreiben. Noch im November 2011 kam es jedoch zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Gesellschaftern über die weitere Vorgehensweise.
Unter dem Datum des 15.1.2012 vereinbarte der Beklagte als Geschäftsführer der Klägerin zwei mittelfristige Beratungsverhältnisse:
Danach schloss die Klägerin mit der M. GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte selbst war (künftig: M.), einen "Dienstleistungsvertrag Projektbegleitung" (künftig: Projektsteuerungsvertrag), wonach die Auftragnehmerin eine Untersuchung und Analyse der aktuellen Betriebsführung des Hotels im Hinblick auf die beabsichtigte Entwicklung, eine Potentialanalyse des Standorts, sodann eine Wirtschaftlichkeitsberechnung des beabsichtigten Wellnessbetriebs und schließlich eine Prüfung der vorhandenen Planungen zur Erarbeitung von Optimierungsansätzen schuldete. Für die Erbringung dieser "Markteinführungsleistungen" wurde eine Vertragslaufzeit von "zunächst" fünf Jahren mit Verlängerungsoption um jeweils ein Jahr für den Fall der Nichtkündigung vereinbart. Als Vergütung wurden eine monatliche Pauschale i.H.v. 9.700 EUR, eine jährliche Zahlung von weiteren 25.000 EUR ("... wenn die in der jährlichen Budgetplanung für das Projekt ermittelten Umsätze erreicht werden ...") sowie eine monatliche pauschale Vergütung i.H.v. "maximal 1.300 EUR" für Fahrt- und Reisekosten der Teammitglieder nach Maßgabe des Bundesreisekostengesetzes in der höchsten Stufe, alle Zahlungen zzgl. MwSt., vereinbart.
Mit der L. GmbH, an deren Stammkapital der Beklagte einen Anteil von 50 % hielt und deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer er war (künftig: L.), schloss die vom Beklagten vertretene Klägerin den "Vertrag zur Teilnahme an 'The L. Hotels & Resorts' für das H. Hotel" (künftig: Teilnahmevertrag), wonach Leistungspflichten der Auftragnehmerin nicht festgelegt wurden, sondern der Auftraggeberin lediglich die Möglichkeit zum Erwerb der Mitgliedschaft und zur Nutzung einer Qualitätsmarke für medizinisch betreute Wellness eröffnet werden sollte, sofer...