Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Das Niedersächsische Finanzgericht befasste sich mit Urteil vom 19.4.2018 mit der Frage, ob Reisekostenerstattungen eines ins Ausland entsandten Arbeitnehmers hierzulande dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
Sachverhalt
Der verheiratete Kläger war als Diplom-Chemiker beim Volkswagen-Konzern beschäftigt und begann zum 1.7.2013 einen Auslandseinsatz bei der VW Group of America in den USA. Der "Global Assignment Vertrag", den er mit der VW AG geschlossen hatte, sah eine Befristung des Einsatzes auf drei Jahre vor.
Der neu geschlossene Arbeitsvertrag mit der VW Group of America beinhaltete diverse Zusatzleistungen; unter anderem erhielt der Diplom-Chemiker für seine Wohnung im Bundesstaat Tennessee einen Wohnungskostenzuschuss ("Housing an Utilities Allowance") von rund 20.000 EUR sowie ein Flugbudget von rund 2.800 EUR. Inklusive sämtlicher Zusatzleistungen belief sich der ausländische Arbeitslohn in 2014 auf 175.413 EUR.
Das Finanzamt bezog den kompletten Betrag in die Berechnung des Progressionsvorbehalts ein, während der Diplom-Chemiker der Auffassung war, dass von den Zusatzleistungen eine Betrag von 19.500 EUR als steuerfreie Reisekostenerstattung im Rahmen einer Auswärtstätigkeit anzusehen ist.
Entscheidung
Das Finanzgericht wies die Klage ab und urteilte, dass das Finanzamt zutreffend ausländische Einkünfte von 175.413 EUR dem Progressionsvorbehalt unterzogen hatte. Der Kläger und seine Ehefrau waren unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil sie ihren Wohnsitz in Deutschland während der Entsendung beibehalten hatten. Damit unterlagen die von ihnen erzielen Einkünfte grundsätzlich der deutschen Einkommensteuer (Welteinkommensprinzip). Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA waren die Einnahmen aus dem Beschäftigungsverhältnis bei der VW Group of America zwar dem Besteuerungsrecht der Vereinigten Staaten zuzuordnen; die Einkünfte mussten aber hierzulande bei der Ermittlung des Steuersatzes erfasst werden (Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG). Anders als der Kläger meint, konnte von den ausländischen Einkünften kein Teilbetrag als steuerfreie Reisekostenvergütung (nach § 3 Nr. 16 EStG) angesehen werden. Entscheidend hierfür war, dass das Gericht das VW-Werk in den USA als erste Tätigkeitsstätte des Diplom-Chemikers einordnete. Weil er dem Direktionsrecht der VW Group of America unterstellt war, bestand eine dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung zum VW-Werk i. S. d. § 9 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Hinweis
Auch eine Steuerfreistellung über die Regelungen zur doppelten Haushaltsführung gelang dem Chemiker im vorliegenden Fall nicht, da sich der Lebensmittelpunkt des Ehepaares durch den gemeinsamen Umzug in die USA verlagert hatte. Die bloße Beibehaltung der Inlandswohnung konnte an diesem Ergebnis nichts ändern.
Die Revision ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI R 21/18 anhängig.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.04.2018, 5 K 262/16