Entscheidungsstichwort (Thema)
Duales Studium als Erstausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses. Fahrten zur praktischen Ausbildung beim Dienstherrn als Tätigkeitsmittelpunkt und damit als regelmäßige Arbeitsstätte
Leitsatz (redaktionell)
1. Ist die Erstausbildung zum Dipl. Informatiker (Berufsakademie) Teil eines Ausbildungsdienstverhältnisses, findet § 9 Abs. 6 EStG keine Anwendung und als Werbungskosten sind die Reisekosten für Fahrten zwischen Wohnung und Berufsakademie, Verpflegungsmehraufwendungen in der theoretischen Ausbildung und die Aufwendungen für Fahrten zur praktischen Ausbildung im Rahmen des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG mit der Entfernungspauschale bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen.
2. Der Ausbildungsbetrieb, bei dem die praktische Ausbildung stattfindet, ist als Mittelpunkt der dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit i.S. des § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG und als regelmäßige Arbeitsstätte i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG anzusehen, so dass diesbezüglich ein Ansatz von Verpflegungsmehraufwendungen und Reisekosten ausscheidet.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 5, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 6, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5, § 10d Abs. 4, § 9 Abs. 5
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 3.6.2009 und der Einspruchsentscheidung vom 15.12.2009 verpflichtet, für den Kläger einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer zum 31.12.2005 von 2.936 EUR gesondert festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger und dem Beklagten jeweils hälftig auferlegt.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in selbiger Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Praxispartner der Berufsakademie S. die regelmäßige Arbeitsstätte des Studenten in einem sog. dualen Studiengang ist.
Nachdem der Kläger im August 2003 einen Ausbildungsvertrag zum Diplom-Informatiker (Berufsakademie) mit dem Praxispartner p. AG im Sinne des § 7 Abs. 1 Gesetz über die Berufsakademie im Freistaat S. (SächsBAG) abgeschlossen hatte, war er zum entsprechenden Studium an der Berufsakademie zugelassen worden. Die Ausbildung dauerte im Streitjahr 2005 an. Der vom Kläger angestrebte Abschluss steht gemäß § 10 Abs. 4 Satz 3 SächsBAG (a.F.) den entsprechenden Abschlüssen der Staatlichen Fachhochschulen als berufsbefähigender Abschluss gleich.
Im Ausbildungsvertrag war eine kalendermonatliche Vergütung in Höhe von 250 EUR vorgesehen. Ausweislich der zur Rechtsbehelfsakte gelangten elektronischen Lohnsteuerbescheinigung wurden dem Kläger im Streitjahr 3.185 EUR (brutto) sowie steuerfreie Verpflegungszuschüsse bei Auswärtstätigkeit von 48,00 EUR gezahlt. Der Ausbildungsvertrag sah für die praktischen Studienabschnitte eine wöchentliche berufspraktische Studienzeit von 40 Sunden vor. Er nahm zudem ausdrücklich auf das Gesetz über die Berufsakademie im Freistaat S. Bezug und sah eine Studienzeit von drei Jahren vor. Der Kläger wurde als „im Rahmen der Berufsakademie S. zu qualifizierender Abiturient” bezeichnet.
Im Streitjahr fuhr der Kläger an insgesamt 112 Tagen von seinem Wohnort, D.-Str. in 0N. zur 62 Kilometer entfernten Berufsakademie S., S.-Str. in L. und zurück. Davon war der Kläger an 58 Tagen wegen des stattfindenden Unterrichts jeweils mindestens 8 Stunden von seiner Wohnung abwesend. Ferner suchte der Kläger im Streitjahr an 92 Tagen den von der Wohnung des Klägers 54 Km entfernten Betrieb des Praxispartners in der M.-Str., L. auf. Die Fahrten legte er jeweils mit eigenen Kraftfahrzeugen zurück.
Für das Jahr 2004 ist noch kein verbleibender Verlustvortrag festgestellt.
Am 22.12.2008 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung 2005 ein, die gleichzeitig die Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags jenes Jahres darstellte. Er erklärte ausschließlich den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugehörige Einnahmen in Höhe seines Bruttoarbeitslohns und machte Werbungskosten in Höhe von 100 EUR für Schreibmaterial, von 16 EUR für Kontoführungsgebühren und in Höhe von 5.214 EUR „Fortbildungskosten Studium” geltend. Diese gliederten sich auf in 29,90 EUR für ein „Fachbuch” – wofür der Kläger auch eine auf „Fachbuch” lautende Quittung vorlegte –, 4.464 EUR Fahrtkosten sowie Verpflegungsmehraufwand von 720 EUR.
Mit Bescheid vom 11.2.2009 setze der Beklagte die Einkommensteuer des Klägers auf 0 EUR fest, wobei er den Arbeitnehmerpauschbetrag von 920 EUR statt der im Bescheid aufgeführten Werbungskosten von 116 EUR für Schreibmaterial und Kontoführungsgebühren anwandte. Die als Fortbildungskosten geltend gemachten Aufwendungen sah er als Ausbildungskosten an und berücksichtigte sie in Höhe von 4.000 EUR als Sonderausgaben. Mit Bescheid vom 3.6.2009 lehnte er den am 23.2.2009 erneut gestellten Ant...