Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen echten und unechten Untätigkeitsrechtsbehelfen
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Steuerrecht sind sowohl Einsprüche als auch Klagen statthaft, die lediglich auf Beseitigung einer behördlichen Untätigkeit gerichtet sind (so genannte „echte” Untätigkeitsrechtsbehelfe); solche Verfahren erledigen sich in der Sache, sobald durch eine Entscheidung der Behörde die Untätigkeit beseitigt ist. Hat der Steuerpflichtige also eine echte Untätigkeitsklage mit dem dem Ziel erhoben, die Finanzbehörde lediglich zum Erlass einer schon länger ausstehenden Einspruchsentscheidung zu veranlassen, so erledigt sich die echte Untätigkeitsklage in der Hauptsache, wenn die Behörde die Einspruchsentscheidung erlässt.
2. Dagegen tritt bei so genannten „unechten” Untätigkeitsrechtsbehelfen, deren Ziel es ist, durch Aufhebung bzw. Änderung oder aber Erlass eines Verwaltungsaktes einen bestimmten Regelungsinhalt zu erwirken, nach Maßgabe von § 46 Abs. 1 S. 3 FGO Erledigung ein, wenn die Behörde den „beantragten Verwaltungsakt” erlässt, indem sie dem Begehren vollinhaltlich stattgibt.
3. Der Steuerpflichtige hat also ein Wahlrecht zwischen echter und unechter Untätigkeitsklage; bei Erfolg einer echten Untätigkeitsklage bleibt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit erhalten, den nunmehr erlassenen Verwaltungsakt ohne bereits bestehende Festlegung auf ein Klageverfahren zunächst einer Prüfung zu unterziehen, erst im Anschluss über die weitere Vorgehensweise zu entscheiden und ggf. nochmals das Kostenrisiko einer Klage in Kauf zu nehmen.
Normenkette
FGO §§ 40, 46 Abs. 1 S. 3, § 138 Abs. 1-2; AO § 347 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit durch den Erlass der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2013 in der Hauptsache erledigt ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Erledigung eines Klageverfahrens.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten die Kostenerstattung für ein Einspruchsverfahren in einer Kindergeldsache. Die Beklagte erließ hierzu am 31. Mai 2012 einen Ablehnungsbescheid, entschied jedoch über den hiergegen erhobenen Einspruch der Klägerin nicht.
Wegen dieser Untätigkeit hat die Klägerin im Juli 2013 Klage erhoben. Sie führt aus, es gehe ihr darum, die Beklagte zu einer Entscheidung über den Einspruch zu veranlassen. Soweit die Beklagte Ausführungen zum Kostenstreit mache, beträfen diese das Einspruchsverfahren, nicht aber die vorliegende Untätigkeitsklage.
Nachdem die Beklagte am 15. Oktober 2013 eine Einspruchsentscheidung in der Kostenstreitsache erlassen hat, hat die Klägerin den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie hat gegen den Ablehnungsbescheid vom 31. Mai 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2013 gesondert Klage erhoben, über die das Gericht bereits entschieden hat.
Sie beantragt sinngemäß,
festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Erlass der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2013 in der Hauptsache erledigt ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es fehle ein erledigendes Ereignis, denn bei einer Untätigkeitsklage handele es sich nicht um eine gesonderte Klageart, sondern lediglich um eine Zulässigkeitsvoraussetzung. Die Untätigkeit als solche sei im Steuerrecht nicht justiziabel. Die Finanzgerichtsordnung (FGO) kenne lediglich die in § 40 FGO aufgezählten Klagearten. Eine allein gegen die Untätigkeit gerichtete Klage sei unzulässig.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze sowie die zum Streitfall übergebenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Durch den Erlass der Einspruchsentscheidung vom 15. Oktober 2013 ist im vorliegenden Klageverfahren Erledigung eingetreten.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung sind sowohl Einsprüche als auch Klagen statthaft, die lediglich auf Beseitigung einer behördlichen Untätigkeit gerichtet sind (so genannte „echte” Untätigkeitsrechtsbehelfe); solche Verfahren erledigen sich in der Sache, sobald durch eine Entscheidung der Behörde die Untätigkeit beseitigt ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 3. August 2005, I R 74/02, BFH/NV 2006, 19 m. w. N.).
Davon zu unterscheiden sind so genannte „unechte” Untätigkeitsrechtsbehelfe, deren Ziel es ist, durch Aufhebung bzw. Änderung oder aber Erlass eines Verwaltungsaktes einen bestimmten Regelungsinhalt zu erwirken. In solchen Verfahren tritt nach Maßgabe von § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO Erledigung ein, wenn die Behörde den „beantragten Verwaltungsakt” erlässt, indem sie dem Begehren ...