rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Festsetzungsfrist im Falle einer Antragsveranlagung
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch für die Antragsveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ist die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AO zu berücksichtigen.
2. Eine Anwendung des § 170 Abs. 1 AO würde zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung derjenigen führen, die nur auf Antrag zu veranlagen sind, gegenüber denjenigen, für die eine Veranlagungspflicht besteht.
Normenkette
EStG 2002 § 46 Abs. 2 Nr. 8 S. 2; AO § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; EStG § 25 Abs. 3, § 52 Abs. 55j S. 2; AO § 170 Abs. 1, § 149 Abs. 1; EStDV § 56; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 4. Februar 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2008 für das Jahr 2003 zur Einkommensteuer zu veranlagen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7/6 des vorgenannten Betrages abwenden, es sei denn, der Kläger leistet zuvor Sicherheit in dieser Höhe.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger für das Jahr 2003 zur Einkommensteuer zu veranlagen ist.
Der Kläger erzielte im Jahr 2003 ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Polizeimeisteranwärter beim Bundesgrenzschutz. Am 23. Januar 2008 reichte der Kläger beim Beklagten die Einkommensteuererklärung für 2003 ein. Mit Bescheid vom 4. Februar 2008 lehnte der Beklagte die Durchführung der Antragsveranlagung ab, wobei er zur Begründung darauf verwies, dass die Abgabefrist von zwei Jahren versäumt und auch bis zum 28. Dezember 2007 keine Steuererklärung eingereicht worden sei. Den Einspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Antragsveranlagung wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 10. November 2008 als unbegründet zurück.
Der Kläger führt aus, dass die inzwischen gestrichene zweijährige Abgabefrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Antragsveranlagung als sogenannte Ausschlussfrist verfassungswidrig gewesen sei. Daher sei eine Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 2003 noch durchzuführen. Auch würde die Regelung des § 52 Abs. 55 j Satz 2 EStG 2008 (vom 20. Dezember 2007) dem nicht entgegenstehen. Im Übrigen verweist der Kläger auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. November 2009.
Die Kläger beantragt,
den Beklagten verpflichten, ihn unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 4. Februar 2008 sowie der Einspruchsentscheidung vom 10. November 2008 für das Jahr 2003 zur Einkommensteuer zu veranlagen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte führte zunächst aus, dass er auf Grund der gesetzlichen Regelung des § 52 Abs. 55 j Satz 2 EStG 2008 gehindert sei, eine Veranlagung durchzuführen. Nach dieser Regelung könne eine Antragsveranlagung für Zeiträume vor 2005 nur durchgeführt werden, wenn der entsprechende Antrag bis zum 28. Dezember 2007 beim Finanzamt eingegangen sei. Die Steuererklärung des Klägers sei jedoch erst am 23. Januar 2008 eingereicht worden. An dieser Auffassung hielt der Beklagte im Laufe des Verfahren im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. November 2009 nicht mehr fest, führte jedoch aus, dass für das Streitjahr 2003 dennoch keine Abhilfe erfolgen könne, da für dieses Jahr bei Einreichung der Einkommensteuererklärung am 23. Januar 2008 die vierjährige Festsetzungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Eine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) würde nicht vorliegen. Diese Vorschrift würde lediglich Fälle betreffen, in denen der Steuerpflichtige verpflichtet wäre, eine Einkommensteuererklärung abzugeben. Für Fälle der „freiwilligen” Stellung eines Antrages würde diese Vorschrift der Anlaufhemmung jedoch nicht gelten.
Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 23. März 2010 erklärt hatte, den Kläger für das Jahr 2004 zur Einkommensteuer zu veranlagen, haben die Beteiligten für das bis zu diesem Zeitpunkt noch verfahrensgegenständliche Jahr 2004 den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 23. März 2010 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Der Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2008, mit dem er eine Veranlagung des Klägers zur Einkommensteuer 2003 abgelehnt hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Besteht das Einkommen – wie im Streitfall – nach § 46 Abs. 2 EStG ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichts...