Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeschränkte Steuerpflicht. feste Geschäftseinrichtung eines Flugzeugingenieurs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Wohnsitzdefinition des § 8 AO gilt auch, soweit ein Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) eingreift. Die unbeschränkte Steuerpflicht bestimmt sich allein nach nationalem Recht, insbesondere danach, ob die Anknüpfungsmerkmale des nationalen Rechts, zu denen der Wohnsitzbegriff gehört, erfüllt sind.
2. Der Begriff der festen Einrichtung in dem DBA ist mit dem Begriff der festen Geschäftseinrichtung in § 12 Satz 1 AO identisch.
3. Eine feste Geschäftseinrichtung ist gegeben, wenn einem Flugzeugingenieur von dem ihn beauftragenden Unternehmen Räumlichkeiten sowie ein eigener Spind und Schließfach in einem Hangar auf einem inländischen Flughafen zur Verfügung gestellt werden, wo er die geschuldeten Wartungsleistungen erbringt und er zu dem Flughafengelände –wenn auch nach einer Sicherheitskotrolle – jederzeit Zutritt hat.
4. Die außerhalb einer festen Einrichtung ausgeübte Tätigkeit eines Ingenieurs ist der festen Einrichtung zuzurechnen, von der aus der Ingenieur Arbeiten dieser Art regelmäßig erledigt.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 1 S. 1; AO §§ 8, 12 S. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Dem Kläger werden die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger (Kl.) in den Streitjahren selbständig tätig war oder für eine Limited arbeitete, deren Direktor und alleiniger Gesellschafter er ist. Für den Fall, dass der Kl. als selbständig anzusehen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig, ob er Einkünfte mit einer festen Einrichtung in Deutschland erzielte.
Der Kl. ist Flugzeugingenieur und Inhaber von Lizenzen für die Flugzeuge Airbus A300 und Boeing 757. Bei dem Kl. fand 2012/2013 eine Steuerfahndungsprüfung (u.a.) wegen Einkommensteuer 2008 bis 2010 statt. Die Prüferin kam zu dem Ergebnis, dass der Kl. ab April 2008 einen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe und daher in den Streitjahren unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei. Er habe mit der Wartung von Flugzeugen im Auftrag der W Ltd. (W) Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit erzielt. Da er die Einnahmen mittels einer festen Einrichtung erzielt habe, stehe Deutschland das Besteuerungsrecht wegen dieser Einkünfte zu. Im Einzelnen (Bericht vom 14. Juni 2013):
Die W mit Sitz in … wartet Flugzeuge im Auftrag der E GmbH (E) mit Sitz in …, die Frachtflugzeuge chartert und betreibt. Die W firmierte bis zum 6. Juli 2009 unter WA Ltd. (WA) und bis zum 27. Juli 2010 unter WB Ltd. (Bl. 17 ErmA I). Die WA und die E schlossen unter dem 28. März 2008 „Line Maintenance Agreements”. In dem „Line Maintenance Agreement Nr. 2” (Bl. 28 ErmA I) einigten sie sich darauf, dass WA der E lizensiertes Flugzeugwartungspersonal, das für die Flugzeugtypen A300 und B757 qualifiziert und zugelassen ist, zur Verfügung stellt. Nach dem Vertrag sollen die zur Verfügung gestellten Ingenieure angemessenes Werkzeug, das zur Erfüllung ihrer Pflichten für notwendig erachtet wird, besitzen. W mietete Räume von E auf dem Flughafengelände (s. Aussage des Geschäftsführers der E, Bl. 192 ErmA II).
Der Kl. war für WA als Flugzeugingenieur tätig, seit … ist (s. auch die Selbstauskunft vom 31. Jan. 2008 [Bl. 172 ErmA II]). Er unterschrieb am 1. April 2008 (ohne Zusatz) einen „Freelancer Contract” mit der WA (Bl. 9 ErmA I). Oberhalb der mit „Freelancer” bezeichneten Vertragspartei werden der Kl. und C genannt.
In dem Vertrag (bestätigte Übersetzung, Bl. 229 ff. ErmA II) verpflichtet sich der freie Mitarbeiter, die Pflichten eines Ingenieurs an jedem von E/… betriebenen oder benannten Flugzeug zu erfüllen. Der freie Mitarbeiter wird als Subunternehmer des Auftraggebers (WA) beschäftigt und erfüllt die Pflichten gemäß „Schedule 3” des „Maintenance Agreement Nr. 1” zwischen dem Auftraggeber und E vom 28. März 2008 (Abschnitt [im Folgenden: §] 1). Der freie Mitarbeiter ist verantwortlich dafür, die Flugfähigkeit des Flugzeugs festzustellen und das Flugzeug unter seiner Lizenz freizugeben. Er erhält eine Vergütung von … £ pro Stunde zuzüglich Auslagen (§ 2). Die Vertragsparteien sind sich einig, dass der freie Mitarbeiter seine Vergütung auch erhält, um seine Sozialversicherungskosten, einschließlich privater Altersvorsorge, zu bestreiten. Der freie Mitarbeiter darf seine Tätigkeit ohne vorherige Benachrichtigung nicht an Dritte delegieren; er hat aber ohne vorherige Zustimmung des Auftraggebers das Recht, eine gleichermaßen qualifizierte Person mit einer vergleichbaren Lizenz dazu einzusetzen, seine Arbeit auszuführen (§ 6). Der freie Mitarbeiter hat keinen Anspruch auf Vergütung, wenn er seine Vertragspflichten wegen Krankheit oder aus einem anderen Grund nicht erfüllen kann (§ 9 Abs. 1), und kein Recht auf bezahlten Jahresurlaub (§ 9 Abs. 2). Im Falle von Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit oder Unfall hat der freie Mitarbeiter unverzüglich den...