Prof. Dr. Bernd Heuermann
Leitsatz
Das Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG schließt den Ansatz von Darlehensverlusten als nachträgliche Anschaffungskosten i.S.d. § 17 Abs. 2 EStG nicht aus.
Normenkette
§ 17 Abs. 2 EStG, § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG
Sachverhalt
Herr K beteiligte sich an einer Call-Center-GmbH und verpflichtete sich zugleich, der GmbH im Hinblick auf ihre schlechte Liquiditätslage ein Darlehen von 150 000 DM zu gewähren, das zusammen mit dem Stammkapital überwiesen wurde. Die GmbH geriet weiter in die Krise, und K gab ein weiteres zinsloses Darlehen von 10 000 DM. Trotz Rangrücktrittserklärungen konnte die Insolvenz nur durch die Übernahme durch einen Dritten vermieden werden. In diesem Zusammenhang verzichteten die Alt-Gesellschafter auf die erbrachten Gesellschafterdarlehen.
Das FA lehnte es ab, die 160 000 DM als nachträgliche Anschaffungskosten zu berücksichtigen, nicht so das FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 17.10.2005, 11 K 2558/04 E, Haufe-Index 1458295,EFG 2006, 110).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung: Der Ausfall der Darlehen führt zu nachträglichen Anschaffungskosten.
Die Darlehen wurden nach den Feststellungen des FG bei Kreditunwürdigkeit der GmbH und damit in der Krise gewährt. Das Darlehen über 150 000 DM wurde in unmittelbarem Zusammenhang mit der Aufnahme des Klägers in die Gesellschaft gewährt, um – wie mit der Erhöhung des Stammkapitals – der Überschuldung der Gesellschaft zu begegnen. Das Darlehen über 10 000 DM diente – zusammen mit anderen kurzfristig gegebenen Gesellschafterdarlehen – der Vermeidung der Insolvenz.
Beide Darlehen wurden in einer Situation gegeben, in der die Konkursreife der Gesellschaft noch nicht eingetreten war, die Rückzahlung der Darlehen aber angesichts der finanziellen Situation der Gesellschaft in dem Maß gefährdet war, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu den selben Bedingungen wie der Kläger nicht mehr eingegangen wäre. Unerheblich ist, dass der Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen im Verzichtszeitpunkt nicht mehr werthaltig war. Denn die Höhe der Anschaffungskosten bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Darlehensgewährung in der Krise der GmbH (Nennbetrag; vgl. BFH, Urteil vom 24.04.1997, VIII R 16/94, BFH/NV 1998, 102–103 [Leitsatz und Gründe]).
Hinweis
1. Nach § 17 Abs. 1 und 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft in qualifizierter Weise beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hielt. Entsprechendes gilt für die aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft entstehenden Verluste.
2.Auflösungsverlust i.S.d. § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG ist der Betrag, um den die im Zusammenhang mit der Auflösung der Gesellschaft vom Steuerpflichtigen persönlich getragenen Kosten (entsprechend den Veräußerungskosten nach § 17 Abs. 2 S. 1 EStG) sowie seine Anschaffungskosten den gemeinen Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft übersteigen.
3. Zu den Anschaffungskosten gehören nach § 255 Abs. 1 S. 2 HGB auch die nachträglichen Anschaffungskosten, und dazu zählen bei einer Beteiligung neben (verdeckten) Einlagen auch nachträgliche Aufwendungen auf die Beteiligung, wenn sie durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind und weder Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen noch Veräußerungskosten sind. Das ist bei einem Darlehen des Gesellschafters an die Kapitalgesellschaft der Fall, wenn und soweit es Eigenkapital ersetzt (vgl. § 32a Abs. 1 GmbHG), weil der Gesellschafter es in einem Zeitpunkt gewährt, in dem er als ordentlicher Kaufmann Eigenkapital zugeführt hätte.
4. Indessen unterliegen nach dem sog. Sanierungsprivileg des § 32a Abs. 3 S. 3 GmbHG Tilgungs- und Zinszahlungen auf Darlehen in solchen Fällen keiner Auszahlungssperre, die Forderungen sind nicht nachrangig. Gleichwohl schließt diese Freistellung der Darlehen eines Sanierungsgesellschafters von den Beschränkungen des § 32a GmbHG im Zusammenhang mit § 17 Abs. 2 EStGnicht deren Funktion als Eigenkapital aus. Denn Zweck des Sanierungsprivilegs als Sonderregelung ist es, Anreize zu bieten, GmbHs Risikokapital zur Verfügung zu stellen und sich an Sanierungen zu beteiligen (vgl. BTDrucks. 13/10038, S. 28). Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn der Sanierungskapital gebende Gesellschafter gegenüber anderen Gesellschaftern steuerrechtlich benachteiligt würde.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.08.2008 – IX R 63/05