Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH III B 51/12)

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzung von Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Keine Nichtigkeit von Bescheiden trotz erheblicher Differenzen zwischen verschiedenen durch das Finanzamt ermittelten Schätzungsergebnissen, solange sich diese nicht in Bescheiden niedergeschlagen haben.

2. Schätzung anhand von kombinierten Mittelwerten laut Richtsatzsammlung.

 

Normenkette

AO § 125 Abs. 1, § 162

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 21.08.2013; Aktenzeichen III B 51/12)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuer(ESt)-Bescheide sowie der Gewerbesteuer(GewSt)-Messbescheide 2003 bis 2008 jeweils vom 21. Juni 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 11. April 2011.

Die Kläger sind verheiratet und wurden in den Streitjahren 2003 bis 2008 gemeinsam zur ESt veranlagt. Der Ehemann erzielte als Inhaber eines Döner-Imbisses, eines Restaurants sowie eines Gemüsemarktes in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die Klägerin war in den Jahren 2003 und 2004 als Angestellte in den Geschäften ihres Mannes tätig. Der Betrieb des Gemüsemarktes wurde 2003 eingestellt, das Restaurant im Jahr 2009 geschlossen. Für das Jahr 2003 reichte der Kläger eine zusammengefasste Gewinnermittlung für alle drei Einzelunternehmen ein.

Für die Jahre 2003 bis 2008 führte das Finanzamt eine Betriebsprüfung durch. Nach Einleitung eines Steuerstrafverfahrens gegen den Kläger zu 1. wurden im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen am 11. März 2010 verschiedene Unterlagen beschlagnahmt. Gegenstand der Überprüfung war der Döner-Imbiss, für den der Gewinn nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ermittelt wurde.

Der Döner-Imbiss in zentraler Lage verfügte in den Streitjahren über ca. 40 Sitzplätze (innen und außen), war gut frequentiert und hatte einen guten Ruf.

In einem ersten Erörterungstermin am 17. März 2010, in dessen Verlauf die Kläger die Verkürzung von Einnahmen und Ausgaben einräumten, erklärten die Außenprüfer, sie hätten Mehrsteuern für die ESt-, Umsatzsteuer (USt) und GewSt auf ca. 800.000,00 EUR geschätzt.

In einem weiteren Termin wurde die Schätzung reduziert und erwartete Mehrsteuern von ca. 550.000,00 EUR genannt. In diesem Termin legte das Finanzamt dar, dass es aufgrund der für das Jahr 2008 aufgefundenen Z-Bons von einer Einnahmeverkürzung von 50 v. H. in den Jahren 2003 bis 2008 ausginge und wegen nicht gebuchter Wareneinkäufe den Wareneinsatz in den Jahren 2003 bis 2005 um 25.000,00 EUR sowie in den Jahren 2006 bis 2008 um 40.000,00 EUR erhöhen wolle.

In einer Besprechung vom 5. Mai 2010 schlug das Finanzamt eine tatsächliche Verständigung vor, soweit 170.000,00 EUR nachgezahlt würden und bestimmte Auflagen im Bezug auf die aktuelle Buchführung im Betrieb erfüllt würden.

Am 2. Juni 2010 nahm das Finanzamt das Angebot zur tatsächlichen Verständigung zurück, da ein Beamter des Finanzamts als Gast der Nachfolgegesellschaft des geprüften Einzelunternehmens, der ... GmbH, beobachtet hätte, dass nicht alle Einnahmen in der Kasse erfasst worden seien. Da in dem Restaurant also weiterhin Beträge hinterzogen würden, halte man sich nicht mehr an das ursprüngliche Angebot gebunden.

Aufgrund des Prüfungsberichts vom 4. Juni 2010 erließ das Finanzamt am 21. Juni 2010 die streitigen ESt- und GewSt-Messbescheide für die Jahre 2003 bis 2008.

In seinem Bericht hielt der Prüfer erhebliche Buchführungsmängel fest, die nach seiner Ansicht die Befugnis zur Schätzung gemäß § 162 Abgabenordnung (AO) begründeten. Weiter ging der Prüfer von einem geschätzten Eigenverbrauch in Höhe von 13.000,00 EUR im Jahr 2003 und jeweils 15.000,00 EUR in den Folgejahren aus, von einer Erhöhung des Wareneinsatzes in Höhe von 25.000,00 EUR in den Jahren 2003 bis 2005 und von 40.000,00 EUR in den Jahren 2006 bis 2008 wegen nicht gebuchter Wareneinkäufe, von zusätzlichen nicht vorsteuerrelevanten Betriebsausgaben in Höhe von 10.000 bzw. 15.000 EUR sowie der Anwendung eines Rohgewinnaufschlagssatzes auf 250 v.H. Diese Schätzung führte in den Veranlagungsjahren 2003 bis 2008 zu festgesetzten Mehrsteuern von insgesamt (inkl. USt) ca. 480.000,00 EUR.

Mit ihrem Einspruch gegen die Bescheide vom 21. Juni 2010 machten die Kläger geltend, die Hinzuschätzungen seien aufgrund des Vorgehens des Prüfers rechtswidrig. Zwar sei eine Schätzung dem Grunde nach wegen der Buchführungsmängel berechtigt, es hätten jedoch nachprüfbare Schätzungsgrundlagen erarbeitet werden müssen. Dies sei nicht geschehen, die Schätzung sei vielmehr willkürlich, was sich schon aus der Änderung der angeblich zuvor zutreffend festgestellten Mehrsteuern ergebe. Außerdem sei durch die anfänglich überhöhte Schätzung unzulässiger Druck auf sie ausgeübt worden. Daneben beantragten die Kläger Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide.

Nach Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt setzte d...

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