Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Aufrechnung durch das Finanzamt während der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens
Leitsatz (redaktionell)
Während der Wohlverhaltensphase des Restschuldbefreiungsverfahrens ist eine Aufrechnung des Finanzamtes gegen Steuererstattungsforderungen zulässig.
Normenkette
AO § 226 Abs. 1; BGB § 387; InsO § 286
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Befugnis des Beklagten zur Aufrechnung.
Die Klägerin ist gesamtschuldnerisch mit ihrem früheren Ehemann zu Einkommensteuernachzahlungen aus dem Veranlagungszeitraum 1995 und damit zusammenhängenden Nebenforderungen verpflichtet. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 6. Dezember 2001 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Beklagte meldete mit Schreiben vom 25. Januar 2002 eine Forderung von insgesamt 2.606,49 € an Steuerrückständen für 1995 und Nebenforderungen im Insolvenzverfahren an. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20. August 2002 wurde die Restschuldbefreiung angekündigt und entschieden, dass sich die Laufzeit der Abtretung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) auf fünf Jahre verkürzt. Durch weiteren Beschluss des Amtsgerichts vom 13. September 2002 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.
Die Klägerin beantragte mit ihrem jetzigen Ehemann Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer (ESt) 2002. Mit Steuerbescheid vom 10. Juli 2003 wurde die ESt für die Eheleute auf 8.653 €, der Solidaritätszuschlag auf 330,88 € und die evangelische Kirchensteuer für den Ehemann auf 13 € festgesetzt. Aufgrund eines höheren Lohnsteuerabzuges ergab sich ein Guthaben von 3.309,75 €. Mit Schreiben vom 14. Juli 2003 berichtigte der Beklagte die Abrechnung des Steuerbescheides dahingehend, dass der Erstattungsanspruch auf die Klägerin und ihren Ehemann aufgeteilt wurde, wobei auf die Klägerin ein Betrag von 2.184,86 € entfiel. Der Beklagte erklärte in diesem Schreiben die Aufrechnung gegen diese Erstattungsforderung der Klägerin mit deren Steuerschulden aus 1995 nebst Nebenforderungen in Höhe von 1.121,40 €. Ferner wies der Beklagte darauf hin, dass ein Betrag von 1.063,46 € an einen Drittschuldner aufgrund einer Pfändung vom 12. März 2003 ausgekehrt worden sei. Für die Klägerin verbleibe deshalb kein auszuzahlendes Guthaben.
Die Klägerin legte am 4. August 2003 Einspruch gegen den Steuerbescheid 2002 in Form der berichtigten Abrechnung vor und beantragte gleichzeitig, gesonderte Abrechnungsbescheide für die Eheleute zu erteilen.
Mit Abrechnungsbescheid vom 6. August 2003 stellte der Beklagte die Verrechnung des Steuererstattungsguthabens der Klägerin in Höhe von 2.184,86 EUR mit dem gemäß Schreiben vom 14. Juli 2003 aufgerechneten und ausgekehrten Betrag fest, so dass der Erstattungsanspruch erloschen sei.
Nachdem die Klägerin die Pfändung des Drittschuldners erfolgreich angefochten hatte, zahlte der Beklagte den zunächst ausgekehrten Betrag von 1.063,46 EUR an die Klägerin aus.
Die Klägerin legte am 5. September 2003 Einspruch gegen den Abrechnungsbescheid ein. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass die Aufrechnung von Insolvenzforderungen gegen eine nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens entstandene Hauptforderung unzulässig sei. Die Insolvenzforderung nehme mit sämtlichen Konsequenzen am Insolvenzverfahren teil. Vorrechte des Fiskus seien durch die Insolvenzordnung beseitigt worden. Die Restschuldbefreiung habe den Zweck, den Schuldner von den restlichen Verbindlichkeiten gegenüber allen Insolvenzgläubigern zu befreien, unbeschränke Nachforderungsrechte auszuschließen und während der Wohlverhaltensperiode durch das Verbot der Zwangsvollstreckung die Befriedigungsaussichten der Gläubiger nicht untereinander zu verschieben. Für die Dauer der Treuhandperiode sei aus dem Zwangsvollstreckungsverbot des § 294 Abs. 1 InsO ein Aufrechnungsverbot abzuleiten. Jedes andere Ergebnis stehe im Widerspruch zum neuen Insolvenzrecht, welches eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger vorsehe. Die vom Beklagten vorgenommene Verrechnung sei deshalb auch rechtsmissbräuchlich.
Mit Einspruchsentscheidung vom 6. November 2003 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Eine Aufrechnung gegen Steuererstattungsansprüche sei im Restschuldbefreiungsverfahren grundsätzlich möglich.
Die Klägerin hat am 8. Dezember 2003 Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren und trägt ergänzend vor, dass der Beklagte durch dessen Rechtsauffassung aufgrund der fiskalischen Monopolstellung gegenüber den sonstigen Gläubigern privilegiert werde. Der Gesetzgeber habe mit der neuen Insolvenzordnung jedoch den Gedanken der Gleichbehandlung aller Gläubiger verfolgt und die bisherigen Vorrechte des Fiskus nach der Konkursordnung abgeschafft. Die Aufrechnungspraxis der Finanzämter während der Dauer der Wohlverhaltensperiode stelle einen Systembruch dar, der eine Erweiterung des Anwendungsbereiches der