Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Aufrechnung des Finanzamtes gegen einen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Umsatzsteuererstattungsanspruch mit Insolvenzforderungen
Leitsatz (redaktionell)
Der aus § 14c Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG begründete Erstattungsanspruch wegen Berichtigung des unrichtigen Steuerbetrages ist insolvenzrechtlich bereits mit der Ausgabe der unrichtigen Rechnung begründet. Bestätigung der BFH-Rechtsprechung des 7. Senates (Urteil vom 4.2.2005 VII R 20/04, BStBl II 2010, 55).
Normenkette
UStG § 14c Abs. 1, § 17 Abs. 1; AO §§ 226, 251; InsO §§ 94-96
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Zulässigkeit der Aufrechnung des Finanzamtes gegen einen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Umsatzsteuererstattungsanspruch mit Insolvenzforderungen streitig.
Für das Vermögen der X GmbH (Insolvenzschuldnerin), früher firmierend unter Y GmbH, ist mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20.09.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter ernannt worden.
Der Hauptgeschäftszweck der Schuldnerin bestand u. a. in der Durchführung von Bauvorhaben im eigenen oder fremden Namen. In den Jahren 1997 und 1998 wies sie in ihren Rechnungen Umsatzsteuer für nach § 4 Nr. 9 a Umsatzsteuergesetz steuerfreie Leistungen aus. Entsprechend wurde die Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt erklärt und vollständig entrichtet. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass die Umsatzsteuer in den Rechnungen gemäß § 14 c Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz unrichtig ausgewiesen worden sei. Der von der Insolvenzschuldnerin seinerzeit geltend gemachte Vorsteuerabzug wurde durch das Finanzamt gekürzt (Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht Bezug genommen). Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragte der Insolvenzverwalter gemäß § 14 c Umsatzsteuergesetz das Umsatzsteuerberichtigungsverfahren beim Finanzamt. Dieses stimmte gemäß § 14 c Abs. 2 Satz 5 Umsatzsteuergesetz durch Schreiben vom 02.05.2006 zu. Mit der Umsatzsteuervoranmeldung für das III. Quartal 2006 machte der Kläger gemäß § 14 c Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuergesetz i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz zu erstattende Umsatzsteuern aus berichtigten Rechnungen in Höhe von 183.421,93 € gegenüber dem Finanzamt geltend. Durch Bescheid vom 07.11.2006 setzte das Finanzamt erklärungsgemäß für das dritte Kalendervierteljahr 2006 die Umsatzsteuer auf -183.421,93 € fest und wies für den Kläger ein Restguthaben in Höhe dieses Betrages aus. Durch Umbuchungsmitteilung vom 10.11.2006 rechnete das Finanzamt mit Steuerrückständen aus dem Jahre 1997 und 1998 wegen Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer dieses Guthaben auf. Auf Antrag des Klägers erließ das Finanzamt am 19.12.2006 einen Abrechnungsbescheid über die Umsatzsteuer für das III. Quartal 2006 gemäß § 218 Abs. 2 Abgabenordnung, in dem es feststellte, dass der Erstattungsanspruch durch Aufrechnung erloschen sei.
Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das Finanzamt durch Entscheidung vom 06.03.2007 als unbegründet zurück. Es führte im Wesentlichen aus, dass eine Aufrechnung erst dann erklärt werden könne, wenn die Aufrechnungslage gegeben sei. Dies würde die Fälligkeit der Hauptforderung und gleichzeitige Erfüllbarkeit der Gegenforderung bedeuten. Die Aufrechnung bewirke nach § 226 Abs. 1 AO i.V.m. § 389 BGB, dass die Forderungen, soweit sie sich decken würden, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten würden, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber stünden. Die Forderungen des Finanzamtes (Umsatzsteuer 1998, Körperschaftsteuer 1998, Solidaritätszuschlag zur Körperschaftsteuer 1998, Umsatzsteuer 1997) seien zweifelsfrei Insolvenzforderungen. Zu prüfen sei, ob auch der Umsatzsteuererstattungsanspruch eine Insolvenzforderung darstelle, so dass die beiden sich gegenüber stehenden Forderungen als gleichwertig verrechnet werden könnten. Sofern die Begründetheit des Umsatzsteuererstattungsanspruches wie im ursprünglichen Zeitpunkt der Verwirklichung des Lebenssachverhaltes (Leistungserbringung) zu sehen sei, handele es sich um eine aufrechenbare Insolvenzforderung. Grundlage für die Berichtigung sei die falsche umsatzsteuerliche Würdigung von Geschäftsvorfällen im Jahre 1997 und 1998, die im Rahmen einer Betriebsprüfung festgestellt worden seien, gewesen. Diese steuerliche Würdigung sei vor der Insolvenzeröffnung eingetreten. Ausschlaggebend für die insolvenzrechtliche Begründung eines Steueranspruches sei nicht der Zeitpunkt, zu dem die steuerrechtlichen Entstehungstatbestände erfüllt seien, sondern derjenige, zu dem die zivilrechtlichen Grundlagen für die Entstehung des materiell-rechtlichen Steueranspruches gelegt worden seien. Das gelte auch für die Steuervergütungsansprüche und Steuererstattungsansprüche eines Gemeinschuldners, gegen die aufgerechnet werde (vgl. BFH vom 17.12.1998 VII R 47/98, BStBl II 1999, 423). Nach den das Insolvenzrecht bestimmenden schuldrechtlic...