Entscheidungsstichwort (Thema)
Gemeiner Wert als Bemessungsgrundlage für den geldwerten Vorteil verbilligter Arbeitnehmer-Aktien
Leitsatz (redaktionell)
Die verbilligte Überlassung von Aktien stellt einen geldwerten Vorteil dar, wenn die Aktien für die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers überlassen werden. Anzusetzen ist der gemeine Wert, der auf den Zeitpunkt zu ermitteln ist, zu dem der Vorteil zufließt. Dies setzt bei Aktien das Innehaben der wirtschaftlichen Verfügungsmacht voraus. Notwendig ist nicht in jedem Fall die Bestimmung eines genauen Zeitpunktes. Die Ermittlung einer hinreichend konkreten Zeitspanne ist ausreichend. Gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. BewG kann nach dem Stuttgarter Verfahren geschätzt werden, soweit es nicht aus besonderen Gründen des Einzelfalls zu nicht tragbaren, d. h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt.
Normenkette
AO § 122 Abs. 1, §§ 169-170, 171 Abs. 5, § 397 Abs. 1; EStG § 8 Abs. 1-2, § 19 Abs. 1 Nr. 1, § 19a Abs. 8; UmwG § 11 Abs. 2; BewG § 202 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Aktien verbilligt überlassen worden sind, ihm hierdurch ein geldwerter Vorteil zugewendet worden und dieser den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuzurechnen ist.
Der Kl. erwarb 10.000 Aktien der Y AG. Die Y AG ist formwechselnd aus der Y GmbH hervorgegangen. Die Anteile der Y GmbH wurden von der Holding AG gehalten. Anfang des Jahres 2000 konnten die Aktien der Y AG mit einer Bookbuilding-Spanne von 28 € bis 35 €, ab dem Jahr 2000 nach Heraufsetzung der Spanne mit 44 € gezeichnet werden.
Im Jahr 2000 fand der Börsengang der Y AG statt. Der Ausgabekurs der Aktien betrug 44 €. Der niedrigst gehandelte Kurs der Aktie an diesem Tag betrug 100 €. Während der Zeichnungsfrist und auch davor bereits seit Anfang 2000 wurden Wertpapiergeschäfte in der am 10. April 2000 erstmals börslich notierten Gattung getätigt, wobei sich die Stückpreise zwischen 100 und 200 € bewegten. Gleichfalls am 10. April 2000 erhielt der Kl. eine Gutschrift von (...) Y AG Aktien. Der Kl. erteilte im Mai 2000 einen Zahlungsauftrag in Höhe von 168.000 DM. Mit einer weiteren Kaufpreisrate in Höhe von 168.000 DM wurde das Konto des Kl. im Mai 2000 belastet.
Im Rahmen einer Steuerfahndungsprüfung bewertete das FA die dem Kl. überlassenen Aktien auf den Tag der Überlassung, d. h. den 10. April 2000 mit dem niedrigsten gehandelten Kurs des ersten Börsentages (= 100 €) und berechnete durch Gegenüberstellung des auf diese Weise ermittelten Wertes und des tatsächlich geleisteten Kaufpreises die Höhe des geldwerten Vorteils. Das FA folgte den Feststellungen des Fahndungsprüfers und erließ in 2008 einen geänderten ESt-Bescheid für 2000.
Der vom Kläger hiergegen fristgemäß erhobene Einspruch hatte nur teilweise Erfolg. Das Finanzamt änderte die Höhe der Einkommensteuerfestsetzung durch Einspruchsentscheidung vom 12. Oktober 2009 und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Seine Entscheidung begründete es im Wesentlichen wie folgt:
Durch die Übertragung der Aktien sei dem Kläger ein geldwerter Vorteil zugewendet worden.
Die verbilligte Überlassung von Aktien könne nach ständiger Rechtsprechung einen geldwerten Vorteil darstellen und zu Arbeitslohn führen, wenn der Vorteil dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung gewährt werde. Vorteile würden für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis des Arbeitnehmers veranlasst seien. Das sei der Fall, wenn der Vorteil mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis eingeräumt werde und sich die Leistung im weitesten Sinne als Gegenleistung für die zur Verfügung stellende individuelle Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweise. Der Kläger bestreite im vorliegenden Fall nicht, dass die Übertragung der Aktien durch sein Dienstverhältnis veranlasst gewesen sei. Aus der Differenz zwischen dem vom Kläger gezahlten Preis in Höhe von 5,04 DM/Aktie und dem Ausgabepreis bei Börseneinführung in Höhe von 44 €/Aktie sei ein geldwerter Vorteil zu ermitteln.
Bei der Beurteilung der Frage, ob eine verbilligte Überlassung stattgefunden habe, sei für die fraglichen Aktien - entsprechend der Vorgabe des § 19 a Abs. 8 Einkommensteuergesetz (EStG) in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung - unstreitig der gemeine Wert anzusetzen. Für die Bestimmung des gemeinen Wertes griffen die Vorschriften der §§ 9 und 11 Bewertungsgesetz (BewG). Bewertungsstichtag sei grundsätzlich der Tag, an dem der Beschluss über die Gewährung der Optionsrechte getroffen werde (BFH-Urteil vom 20. Juni 2001, BStBl. II 2001, 689).
Dies sei im Streitfall der Zeitpunkt der Einbuchung der Aktien in das Depot des Klägers, d. h. der 10. April 2000 (vgl. BFH-Urteil vom 20. November 2008, BStBl. II 2009, 382). Als Wert der Vermögensbeteiligung sei der gemeine Wert anzusetzen. Dies sei in der Regel der am niedrigsten an diesem Tag im amtlichen Handel notierte Aktienkurs. Liege am Tag der Beschlussfassung kein...