Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium ist als Sonderbetriebseinnahme i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird.
2. Der Grundsatz von Treu und Glauben hindert das FA nicht daran, Stipendienzahlungen, die es bei der Einkommensteuerveranlagung eines Mitunternehmers (rechtsirrig) als steuerfreie Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 44 EStG angesehen hat, später in einem gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 173 Abs. 1 AO geänderten Feststellungsbescheid als Sonderbetriebseinnahmen des Mitunternehmers zu erfassen.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 173 Abs. 1, § 179 Abs. 3 AO
Sachverhalt
Die Kläger waren jeweils zur Hälfte an einer GbR beteiligt. Diese befasste sich mit Softwareentwicklung. Sie hatten im Jahr 2010 mit einer Universität jeweils Stipendiaten-Verträge geschlossen. Danach erhielten sie als Teil des Programms "Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)" für die Zeit vom 1.4.2010 bis zum 31.3.2011 ein Stipendium. Die Stipendien sollten der Entwicklung und Realisierung eines Gründungsvorhabens dienen, in dessen Fokus die Entwicklung einer Software stand. Dazu sollte ein Forschungsprototyp der Universität zu einem marktreifen Produkt ausgearbeitet werden. Nach den Stipendienverträgen waren die Stipendien weder Vergütungen i.S.d. § 611 BGB noch Arbeitsentgelt i.S.d. § 14 SGB IV. Sie dienten lediglich der Sicherung des Lebensunterhalts der Kläger und einer angemessenen Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit während der Phase der Weiterverfolgung und Realisierung der Gründungsidee.
Die Stipendien kamen im Streitjahr zur Auszahlung. In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Streitjahr wurden die Stipendienzahlungen nicht angegeben. Allerdings erklärten die Kläger die Einkünfte aus den Stipendien in ihren ESt-Erklärungen. Das FA behandelte die Stipendienzahlungen bei der Steuerfestsetzung als steuerfreie Einnahme. Aufgrund einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass die Stipendien als Sonderbetriebseinnahmen der Kläger zu erfassen sind. Es änderte den bestandskräftige Feststellungsbescheid für das Jahr 2010 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, in dem es dem Kläger zu 1. Sonderbetriebseinnahmen i.H.v. 18.000 EUR und dem Kläger zu 2. Sonderbetriebseinnahmen i.H.v. 16.800 EUR zurechnete.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt (FG Münster, Urteil vom 13.4.2018, 14 K 3906/14 F, Haufe-Index 11763197, EFG 2018, 1089). Nach seiner Auffassung fehlte es an einer Veranlassung der Stipendienzahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis. Denn Grundlage der Zahlungen seien die Stipendiaten-Verträge, die die Kläger unabhängig von ihrer Gesellschafterstellung mit der Universität geschlossen hätten.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben und das FG-Urteil aufgehoben. Das FG ist bei der Prüfung der Frage, ob die streitigen Stipendienzahlungen Sonderbetriebseinnahmen der Kläger darstellen, von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Da der BFH mangels hinreichender Feststellungen des FG nicht abschließend beurteilen konnte, ob die Stipendienzahlungen als Sonderbetriebseinnahmen zu qualifizieren sind, hat er die Sache an das FG zurückverwiesen.
Hinweis
1. Zwar handelt es sich bei den vorliegenden Stipendienzahlungen nicht um Sondervergütungen i.S.d. § 18 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, da die Universität als Stipendiengeberin nicht in einen Leistungsaustausch zwischen den Klägern einerseits und der GbR andererseits eingeschaltet war. Das FG hat jedoch unter Anwendung eines unzutreffenden rechtlichen Maßstabs angenommen, dass die Stipendienzahlungen mangels Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch keine (sonstigen) Sonderbetriebseinnahmen sein können.
2. Denn als Sonderbetriebseinnahmen sind auch Einnahmen zu qualifizieren, die ein Mitunternehmer zwar im eigenen Namen, aber mit Unterstützung der Mitunternehmerschaft erzielt. Danach ist auch das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium als Sonderbetriebseinnahme zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird. Bedient sich der Geförderte als Mitunternehmer der Mitunternehmerschaft, um das geförderte Vorhaben voranzutreiben, ist die Stipendienzahlung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Dass dies der Fall war, konnte auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht ausgeschlossen werden.
3. Das FG hat daher im zweiten Rechtsgang die tatsächlichen Umstände der Umsetzung des geförderten Gründungsvorhabens durch die Kläger näher aufzuklären. Kommt es zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Stipendienzahlungen um sonstige Sonderbetriebseinnahmen handelt, liegen die Voraussetzungen für die Änderung des Feststellungsbescheids gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1, ...