Leitsatz
1. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG setzt voraus, dass der Erwerber die wirtschaftliche Tätigkeit des Veräußerers fortführen kann.
2. Zu den dinglichen Nutzungsrechten, deren Bestellung nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG von der USt befreit ist, gehört die Grunddienstbarkeit i.S.d. §§ 1018 ff. BGB, wenn der Nutzungsberechtigte – vergleichbar einem Eigentümer – Unbefugte von der Nutzung ausschließen kann.
Normenkette
Art. 13 Teil B Buchst. b der 6. EG-RL , § 1 Abs. 1a UStG , § 4 Nr. 8 UStG , § 4 Nr. 9 UStG , § 4 Nr. 12 Buchst. a und c UStG , § 9 Abs. 2 UStG
Sachverhalt
Die Klägerin war bereits mit dem Ziel gegründet worden, ein unbebautes Grundstück zu erwerben, dieses mit einem Büro- und Wohngebäude zu bebauen, die Wohn- und Gewerbeeinheiten zu vermieten und das Grundstück anschließend zu veräußern. Sie erwarb ein Grundstück (1994), bebaute es und verkaufte es während der Bauphase, im Juni 1996, mit der Verpflichtung zur Fertigstellung (Übergabe 30.12.1996). Die im November bereits fertige Gewerbeeinheit bezog eine Bank und zahlte die Dezembermiete an die Klägerin. Der (vermietete) Rest sollte erst im März 1997 fertig gestellt sein.
Ferner erhielt die Klägerin vom Eigentümer des Nachbargrundstücks 200.000 DM für die Errichtung einer Toreinfahrt an der gemeinsamen Grundstücksgrenze und die Einräumung eines Geh- und Fahrrechts zu des Nachbarn Abstellplätzen.
Die Klägerin meinte – im Wesentlichen mit Erfolg beim FG –, es handele sich um eine Geschäftsveräußerung und im Übrigen um Schadenersatz.
Entscheidung
Der BFH teilte die Auffassung des FA, dass die Klägerin kein Vermietungsunternehmen betrieben hat, das die Erwerberin hätte fortführen können; denn nach den Feststellungen des FG kam es ihr darauf an, das Gebäude zu errichten und Mieter für die einzelnen Mieteinheiten zu finden, um eine möglichst lukrative Veräußerung zu gewährleisten. Die Klägerin hat damit ein auf ein Großprojekt beschränktes Bauträgerunternehmen betrieben. Allein der Umstand, dass sie für einen Monat Mieteinnahmen erzielt hat, fiel dagegen nicht ins Gewicht. Das Bauträgerunternehmen konnte die Erwerberin nicht fortführen, weil es mit Errichtung, Vermietung und Verkauf abgeschlossen war. Die Erwerberin hat ein anders geartetes Unternehmen, nämlich ein Vermietungsunternehmen, betrieben.
Eine Option war nicht möglich: In Bezug auf den Mietumsatz an die Bank wegen deren teils steuerfreien Umsätzen nicht, im Übrigen nicht, mangels Vermietungsleistungen, die erst nach Übergabe beginnen sollten. Das Entgelt für die Einräumung der Grunddienstbarkeit war nach den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen steuerfrei.
Hinweis
1. Eine den Vorsteuerabzug unberührt lassende nicht steuerbare Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG)setzt die Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen des Unternehmens voraus, wobei ggf. auch deren langfristige Überlassung zur Nutzung ausreichen kann. Was die wesentlichen Betriebsgrundlagen eines Unternehmens sind, richtet sich im Einzelfall nach der Art und dem Wirtschaftszweig des Unternehmens.
Bei Veräußerung verpachteter oder vermieteter Immobilien unter Fortführung der Pacht-/Mietverträge durch den Erwerber kann eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung vorliegen (vgl. BFH, Beschluss vom 1.4.2004, V B 112/03, BFH/NV 2004, 1198). Ein Vermietungsunternehmen, das fortgeführt werden kann, liegt aber nicht vor, wenn keine nachhaltige Vermietung, sondern lediglich die Errichtung zum Verkauf mit Mietverträgen geplant war.
2. Die Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten ist nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG befreit. Hierzu gehören auch die Grunddienstbarkeit i.S.d. §§ 1018 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das gilt unabhängig davon, ob mit der Einräumung des Rechts der Ausschluss der Nutzung durch andere verbunden ist. Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit der Regelung in Art. 13 Teil B Buchst. b Satz 1 der 6. EG-RL. Danach sind nur die Vermietung und Verpachtung von der Mehrwertsteuer befreit.
Unter die gemeinschaftsrechtlichen Begriffe Vermietung und Verpachtung fallen auch dingliche Nutzungsrechte, die dem Inhaber ein Nutzungsrecht an dem Grundstück geben (EuGH, Urteil vom 4.10.2001, Rs. C-326/99, Stichting Goed Wonen, UR 2001, 484). Nicht erforderlich ist, dass der Nutzungsberechtigte das Nutzungsrecht allein ausüben kann; es genügt, wenn er – vergleichbar einem Eigentümer – Unbefugte von der Nutzung ausschließen kann.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.2.2005, V R 45/02