Leitsatz
Auch die reguläre Anpassung der Renten anhand des aktuellen Rentenwertes (Ost) gemäß § 255a SGB VI stellt eine regelmäßige Anpassung i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG dar und führt nicht zur Neuberechnung des steuerfreien Teils der Altersrente.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Sätze 6 und 7 EStG
Sachverhalt
Der Kläger und seine verstorbene Ehefrau lebten im Beitrittsgebiet und bezogen Altersrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, berechnet nach dem aktuellen Rentenwert (Ost). Das FA ermittelte den steuerfreien Teil der Rente gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG. Der Kläger meinte, die Anpassung des allgemeinen Rentenwerts (Ost) an den allgemeinen Rentenwert müsse auch zu einer Dynamisierung des Rentenfreibetrags führen. Ansonsten sei dieser aufgrund des geringeren Werts der Rente bei Rentenbeginn im Vergleich zu den "Westrenten" zu niedrig, was gegen Art. 3 GG verstoße. Sowohl das FA als auch das FG lehnten eine Erhöhung des Rentenfreibetrags ab (Sächsisches FG, Urteil vom 19.2.2018, 5 K 567/17, Haufe-Index 12126289, EFG 2018, 1957).
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen keinen Erfolg.
Hinweis
1. Bezieht ein Steuerpflichtiger eine Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem berufsständischen Versorgungswerk, werden nicht die gesamten, sondern nur die um einen sog. Rentenfreibetrag geminderten Renteneinkünfte der Besteuerung unterworfen. Dieser Rentenfreibetrag ergibt sich gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 ff. EStG daraus, dass von dem Jahresbetrag der Rente ein bestimmter Besteuerungsanteil, der sich nach dem Jahr des Rentenbeginns richtet (im Jahr 2005 und früher 50 %, im Jahr 2020 80 %) abgezogen wird. Er bleibt für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs unverändert, sodass regelmäßige Rentenerhöhungen uneingeschränkt besteuert werden.
2. Der Rentenfreibetrag dient typisierend der Vermeidung einer verfassungsrechtlich unzulässigen doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen. Seine Festschreibung bei Vornahme regelmäßiger Rentenanpassungen gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG soll zudem vermeiden, dass sich beim Übergang von der vorgelagerten zur nachgelagerten Besteuerung die steuerliche Ungleichbehandlung von Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen vergrößert.
3. Eine regelmäßige Erhöhung der Rente ist nicht nur bei den jährlichen Rentenanpassungen aufgrund des (allgemeinen) aktuellen Rentenwerts gemäß § 68 SGB VI gegeben, sondern auch bei einer Anpassung aufgrund des aktuellen Rentenwerts (Ost) gemäß § 255a SGB VI. Um einheitliche Einkommensverhältnisse herzustellen und zu einem vergleichbaren Rentenniveau im Beitrittsgebiet zu gelangen, sind die Renten im Beitrittsgebiet in den Jahren seit der Wiedervereinigung wesentlich stärker angestiegen als die Renten im übrigen Bundesgebiet. Dies ändert aber nichts daran, dass auch einer solchen Rentenerhöhung – ebenso wie einer sonstigen regelmäßigen Rentenerhöhung der gesetzlichen Rentenversicherung – nur die dem Rentenanspruch immanente soziale Funktion zukommt, die Stellung des Rentners im Lohngefüge zu erhalten und fortzuschreiben. Auch die Rentenanpassungen aufgrund des aktuellen Rentenwertes (Ost) dynamisieren – ähnlich einer Wertsicherungsklausel – lediglich die Werthaltigkeit der so berechneten Renten bezogen auf das Lohngefüge des Beitrittsgebietes.
4. Der Unterschied zur sog. Mütterrente liegt darin, dass in der dortigen Konstellation nicht der Rentenwert angepasst wird, sondern vielmehr Entgeltpunkte wegen der Kindererziehung gewährt werden. Dies führt zur Erhöhung der Gesamtentgeltpunkte und stellt damit eine außerordentliche Anpassung dar.
5. In der Behandlung der Angleichung des Rentenwertes (Ost) als regelmäßige Anpassung i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa S. 7 EStG liegt kein Gleichheitsverstoß. Ebenso wie bei den Renten, die sich aufgrund des aktuellen Rentenwerts gemäß § 68 SGB VI errechnen, bemisst sich der Rentenfreibetrag nach den Rentenbeträgen, die sich im Zweitjahr nach Rentenbeginn nach Maßgabe des jeweils geltenden aktuellen Rentenwerts ergeben. Im Hinblick auf das seinerzeit noch geringere Lohnniveau im Beitrittsgebiet führt dies zwar möglicherweise im Vergleich zu den Renten im übrigen Bundesgebiet zu einem geringeren steuerlichen Jahresfreibetrag. Dies ist jedoch zwingende Folge der während der Ansparphase zwangsläufig geringeren Beitragsleistungen des Steuerpflichtigen. Sind die Renten trotz der unterschiedlichen aktuellen Rentenwerte dagegen gleich hoch, fehlt es an einem Belastungsunterschied. Das Gleiche gilt in Bezug auf die späteren Rentenerhöhungen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.12.2019 – X R 12/18