BMF, Schreiben v. 8.11.2001, IV D 1 - S 7170 - 201/01, BStBl I 2001, 826
Bezug: BMF-Schreiben vom 13.2.2001, IV D 1 – S 7170 – 4/01
Nach dem EuGH-Urteil vom 14.9.2000, Rechtssache C-384/98, sind Leistungen eines Arztes nur dann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-Richtlinie steuerfrei, wenn sie der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten oder anderen Gesundheitsstörungen dienen.
Unter Bezugnahme auf die Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:
§ 4 Nr. 14 und § 4 Nr. 16 UStG, die auf der Grundlage von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der 6. EG-Richtlinie „ärztliche Heilbehandlungen” bzw. „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin” von der Umsatzsteuer befreien, sind im Sinne des o.g. EuGH-Urteils auszulegen. Dies gilt unabhängig davon, um welche konkrete ärztliche Leistung es sich handelt (Untersuchung, Attest, Gutachten usw.), für wen sie erbracht wird (Patient, Gericht, Sozialversicherung o.a.) und wer sie erbringt (freiberuflicher oder angestellter Arzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Unternehmer, der ähnliche heilberufliche Tätigkeiten nach § 4 Nr. 14 UStG ausübt, sowie Krankenhäuser, Kliniken usw.).
Abweichend von Abschnitt 88 Abs. 3 Nr. 1, 2, 4 und 5 UStR ist daher die Erstellung eines ärztlichen Gutachtens nur dann nach § 4 Nr. 14 UStG steuerfrei, wenn ein therapeutisches Ziel im Vordergrund steht.
Daher fällt die Erstellung von
- Gutachten über den Kausalzusammenhang zwischen einem rechtserheblichen Tatbestand und einer Gesundheitsstörung,
- Gutachten über die Tatsache oder Ursache des Todes (außer, wenn als letzte Maßnahme im Rahmen einer Heilbehandlung anzusehen),
- Alkohol-Gutachten,
- Gutachten über den Gesundheitszustand als Grundlage für Versicherungsabschlüsse,
- Gutachten über die Berufstauglichkeit,
- Gutachten über die Minderung der Erwerbsfähigkeit in Sozialversicherungsangelegenheiten, in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung und in Schadensersatzprozessen,
- Zeugnissen oder Gutachten über das Sehvermögen,
- Gutachten über die Freiheit des Trinkwassers von Krankheitserregern
abweichend von Abschnitt 88 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 UStR grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG.
Die Erstellung von
- Blutgruppenuntersuchungen im Rahmen der Vaterschaftsfeststellung,
- anthropologisch-erbbiologischen Gutachten,
- psychologischen Tauglichkeitstests, die sich ausschließlich auf die Berufsfindung erstrecken,
- Gutachten über die chemische Zusammensetzung des Wassers
fällt ebenfalls nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG (vgl. Abschnitt 88 Abs. 3 Nr. 1 Satz 3, Nr. 2 Satz 2 UStR).
Die ärztliche Untersuchung über die pharmakologische Wirkung eines Medikaments beim Menschen und die dermatologische Untersuchung von kosmetischen Stoffen fallen abweichend von Abschnitt 88 Abs. 3 Nr. 4 UStR grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG.
Ärztliche Untersuchungen nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz fallen abweichend von Abschnitt 88 Abs. 3 Nr. 5 UStR grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG.
Abweichend von Abschnitt 98 Abs. 1 Satz 2 UStR ist die Feststellung des Zustands der Organe, Gewebe, Körperflüssigkeiten usw. in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung nur dann nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei, wenn sie für diagnostische oder therapeutische Zwecke erfolgt. Blutalkoholuntersuchungen für gerichtliche Zwecke in Einrichtungen ärztlicher Befunderhebung sind daher abweichend von Abschnitt 98 Abs. 1 Satz 3 UStR grundsätzlich nicht nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei.
Die mit dem Betrieb der in § 4 Nr. 16 UStG bezeichneten Einrichtungen eng verbundenen Umsätze dürfen nach Abschn. 100 Abs. 1 Satz 2 UStR nicht im Wesentlichen dazu bestimmt sein, den Einrichtungen zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu steuerpflichtigen Umsätzen anderer Unternehmer stehen. Daher sind derartige Leistungen – wie z.B. die Abgabe von ärztlichen Gutachten gegen Entgelt – nicht mehr nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei, wenn eine vergleichbare Leistung nach § 4 Nr. 14 UStG steuerpflichtig ist.
Dieses Schreiben tritt an die Stelle des BMF-Schreibens vom 13.2.2001, IV D 1 – S 7170 – 4/01 (BStBl 2001 I S. 157). Soweit die Regelungen zur Steuerpflicht ärztlicher Leistungen über die des v.g. Schreibens vom 13.2.2001 hinausgehen, ist es nicht zu beanstanden, wenn der leistende Unternehmer diese erst auf Umsätze anwendet, die nach dem 31.12.2001 erbracht werden. Das BMF-Schreiben wird im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 14
UStG § 4 Nr. 16
Fundstellen
BStBl I, 2001, 826