Leitsatz
1. Digitale oder elektronische Sprachwerke (E-Books) sind keine Bücher i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 2 UStG i.V.m. Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a zum UStG.
2. Die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG), erfassen nicht "elektronisch erbrachte Dienstleistungen".
Normenkette
§ 12 Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Anlage 2 Nr. 49 UStG, Art. 14, Art. 24, Art. 98 Abs. 2, Art. 98 Abs. 3, Anhang III Nr. 6, Anhang III Nr. 9 EG-RL 112/2006, Art. 12 Abs. 3 EG-RL 38/2002, § 68, § 126 Abs. 2, § 126 Abs. 4, § 135 Abs. 2 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin stellte Bibliotheken E-Books in digitalisierter Form (virtuelle Bibliotheken) zur Verfügung. Bibliotheksnutzer konnten so auf Medien in digitalisierter Form über das Internet zugreifen. Der Umfang der den Bibliotheken bereitgestellten urheberrechtlich geschützten digitalisierten (Sprach-)Werke richtete sich nach der konkreten – entgeltlichen – Bestellung durch die jeweilige Bibliothek. Die Klägerin schaltete die bestellten digitalisierten Inhalte im vereinbarten Umfang für die jeweilige Bibliothek frei. Dieser Lizenzerwerb berechtigte die Bibliothek, die von ihr konkret bestellten digitalisierten Werke ihren Nutzern zur digitalen (Online-)"Ausleihe" über das Internet anzubieten. Auf der Grundlage allgemeiner Benutzungsbedingungen stellten die Bibliotheken ihren Nutzern sodann die digitalisierten Inhalte über die virtuelle Bibliothek zur Verfügung. Die Bedingungen wiesen darauf hin, dass die virtuelle Bibliothek ein Service der jeweiligen Bibliothek gegenüber ihren Mitgliedern sei, die "digitale Ausleihe" technisch und administrativ jedoch durch die Klägerin abgewickelt werde. Die Bibliotheken erhoben für diesen Service gegenüber ihren Nutzern keine – über etwaige allgemeine Nutzungsbeiträge hinausgehende – Entgelte. Die digitalisierten Werke befanden sich physisch auf den von der Klägerin betriebenen Servern. Über diese wurde den Bibliotheksnutzern der Zugriff auf die für ihre Bibliothek lizenzierten digitalisierten Inhalte u.a. über das Internet ermöglicht. Die Klägerin stellte die "ausgeliehenen" digitalisierten Werke technisch unmittelbar dem jeweiligen Nutzer zur Verfügung (Download der digitalisierten Inhalte auf ein entsprechend geeignetes Endgerät, z.B. E-Book-Reader, Computer). Die Klägerin hielt für ihre Leistungen den ermäßigten Steuersatz für anwendbar. Demgegenüber gingen Finanzamt und Finanzgericht (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.9.2013, 12 K 1800/12, Haufe-Index 6460215) von der Anwendung des Regelsteuersatzes aus.
Entscheidung
Die Revision hatte keinen Erfolg. Das FG habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Leistungen der Klägerin nicht dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.
Hinweis
1. Die Lieferung und die Vermietung von digitalen (elektronischen) Sprachwerken (E-Books) unterliegen nicht dem ermäßigten Steuersatz.
a) § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG ordnen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für die in Anlage 2 zum UStG genannten Gegenstände an. Hierzu gehören nach Nr. 49 der Anlage hierzu auch "Bücher".
b) Der BFH legt den Begriff der Bücher richtlinienkonform einschränkend dahin gehend aus, dass "Bücher" einen physischen Träger voraussetzen, auf dem das Buch materialisiert ist. Dies trifft auf digitale oder elektronische Sprachwerke nicht zu.
c) Maßgeblich ist hierfür Art. 98 EG-RL 112/2006 (= MwStSystRL). Der BFH folgt dabei der EuGH-Rechtsprechung. Danach sind die Mitgliedstaaten nicht berechtigt, einen ermäßigten Steuersatz auf die Lieferung von digitalen oder elektronischen Büchern anzuwenden (EuGH, Urteil vom 5.3.2015, C–479/13, Kommission/Frankreich, EU: C: 2015: 141 und EuGH, Urteil vom 5.3.2015, C–502/13, Kommission/Luxemburg, EU: C: 2015: 143). Dies beruht auf zwei Gründen:
aa) Zum einen darf der ermäßigte Steuersatz gemäß Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL nur auf die Lieferungen und Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien angewendet werden. Hierzu gehört nach Anhang III Nr. 6 MwStSystRL nur die Lieferung von Büchern auf physischen Trägern.
bb) Zudem ist der ermäßigte Steuersatz nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRLnicht auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen anwendbar. Das Überlassen elektronischer Bücher ist aber eine elektronisch erbrachte Dienstleistung.
2. Die entgeltliche Überlassung von E-Books unterliegt auch nicht § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG. Danach ermäßigt sich die Steuer für die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten, die sich aus dem UrhG ergeben.
Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 9 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten eine Steuersatzermäßigung auf Dienstleistungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie diesen geschuldete urheberrechtliche Vergütungen anwenden. Auch insoweit gilt aber, dass gemäß Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL die elektronisch erbrachten Dienstleistungen von der Steuersatzermäßigung ausgeschlossen sind. Dementsprechend ist § 1...