Entscheidungsstichwort (Thema)
Absehen von der Erhebung der Gerichtskosten aufgrund Anwendung des Mindeststreitwerts bei nur geringfügigem steuerlichen Interesse. Erinnerung gegen die Kostenrechnung vom 13. Januar 2005
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat der nicht vertretene Steuerpflichtige eine Klage mit einem streitigen steuerlichen Betrag von ca. 30 EUR in Unkenntnis des Umstands eingelegt, dass bei einem Finanzprozess nach § 52 Abs. 4 GKG (in der seit 1.7.2004 gültigen Fassung) ein Mindeststreitwert von 1000 EUR anzusetzen ist und eine Verfahrensgebühr von 220 EUR anfällt, und nimmt er wegen dieser unverhältnismäßig hohen Gerichtskosten die Klage zurück, so führt die Erinnerung gegen die Festsetzung der vorläufigen Verfahrensgebühr dazu, dass von der Erhebung der streitigen Gerichtskosten nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abzusehen ist.
2. Die Anwendung des Mindeststreitwerts von 1000 EUR ist inbesondere in Fällen verfassungsrechtlich bedenklich, in denen die Gerichtskosten genauso hoch wie oder höher als das tatsächliche steuerliche Interesse des Klägers sind.
3. Zur Frage, ob und ggf. von wem der Steuerpflichtige vor Einlegung einer Klage auf eine überraschende Kostenfolge (hier: wegen Anwendung des Mindeststreitwerts) hingewiesen werden muss.
Normenkette
GKG § 21 Abs. 1 S. 3, § 52 Abs. 4, § 63 Abs. 1 S. 4; GG Art. 19 Abs. 4
Tenor
1. Auf Erinnerung vom 11. Februar 2005 wird von der Erhebung der Gerichtskosten abgesehen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
3. Die außergerichtlichen Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Erinnerungsführer selbst zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Erinnerung wendet sich gegen die Festsetzung von Gerichtskosten in der Kostenrechnung vom 13. Januar 2005.
Im Hauptsacheverfahren ist die Einbeziehung von Kosten eines Wertgutachtens in Höhe von rund 975 EUR in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer streitig. Das Verfahren ist noch beim I. Senat des Thüringer Finanzgerichts anhängig. Die Klage wurde aber mit gleichem Schreiben wie die Erinnerungseinlegung zurückgenommen. Der Einstellungsbeschluss wird nach Abschluss des Erinnerungsverfahrens ergehen.
Mit vorläufiger Kostenrechnung nach § 6 Abs. 1 GKG der Kostenbeamtin des Thüringer Finanzgerichts vom 13. Januar 2005 wurde gegenüber dem Erinnerungsführer als Kostenschuldner aus dem Mindeststreitwert gemäß § 52 Abs. 4 GKG von 1.000 EUR die Verfahrensgebühr in Höhe von 220 EUR gemäß § 63 Abs. 1 Satz 4 GKG vorläufig festgesetzt.
Dagegen wendet sich der Erinnerungsführer mit seiner Erinnerung vom 16. Februar 2005. Zur Begründung führt er aus, dass er bei einem streitigen steuerlichen Betrag von rund 30 EUR einen fast zehnmal so hohen Betrag an Kosten vorlegen müsse. Von einer Rechtsgleichheit zwischen Bürger und dem Finanzamt könne da nicht mehr die Rede sein. Er ziehe unter Protest seine Klage zurück, was ja wohl der Sinn des Kostenbescheides sein solle. Angesichts des völligen Missverhältnisses zwischen dem eigentlichen Streitwert und den absurd hohen Kosten hätte das Thüringer Finanzgericht die moralische Pflicht gehabt, vorher auf diesen Umstand hinzuweisen.
Die Kostenbeamtin und der Bezirksrevisor haben der Erinnerung nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Bei der Überprüfung der Kostenrechnung konnte das Gericht zwar keine Fehler der Kostenbeamtin bei der Festsetzung der Gerichtskosten feststellen; sowohl der Streitwert als auch der Kostenansatz entsprechen den gesetzlichen Bestimmungen.
Es wird aber von der Erhebung der hier streitigen Gerichtskosten nach § 21 Abs. 1 Satz 3 GKG abgesehen. Nach dieser Vorschrift kann bei Zurücknahme eines Antrags – wie im vorliegenden Fall – von der Erhebung von Kosten abgesehen werden, wenn dieser Antrag auf unverschuldeter Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse beruhte. Die unverschuldete Unkenntnis der Verhältnisse besteht entweder in einem entschuldbaren Irrtum über den Sachverhalt – Tatbestandsirrtum – oder in einem Irrtum über die Rechtslage oder einer irrigen Vorstellung über sie – Rechtsirrtum –. Maßgebend für die Beurteilung der Unkenntnis über die rechtlichen Verhältnisse sind der Bildungsgrad, die spezielle steuerliche Erfahrung und die sonstigen Umstände des Falles. So handelt entschuldbar unwissend, wer von der Finanzbehörde z. B. unrichtig belehrt wurde oder wer in steuerlichen Fragen gänzlich unbewandert ist und nicht mutwillig, sondern von seinem Standpunkt aus verständlich handelt (Tipke/Kruse, a.a.O., Rdn. 21 vor § 135 FGO). Ein nicht vertretener Verfahrensbeteiligter befindet sich auch dann in einer entschuldbaren Unkenntnis der Rechtslage, wenn er offensichtlich die Tragweite einer von ihm vorgenommenen Verfahrenshandlung nicht erkennt und er auf diese Auswirkungen nicht hingewiesen wurde. Eine entschuldbare Unkenntnis liegt z. B. auch dann vor, wenn die Klageeinreichung eine überraschende Kostenfolge nach sich zieht. Eine Kostenfolge ist nach Auffassung des Senats für einen nicht vertretenen Laien in juristischen Frage...