rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Bedarfsbewertung eines Grundstücks. Verkauf nach dem Bewertungsstichtag zu einem unter dem bestandskräftig festgestellten Grundbesitzwert liegenden Kaufpreis ist weder neue Tatsache noch rückwirkendes Ereignis

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird der tatsächliche niedrigere gemeine Wert eines Grundstücks erst nach Bestandskraft des Feststellungsbescheides über den Grundbesitzwert geltend gemacht, kann dieser nur noch berücksichtigt werden, wenn die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vorliegen.

2. Da der Wert eines Gegenstands lediglich das Ergebnis der Wertung von Tatsachen ist, die den Wert ausmachen, ist er keine Tatsache.

3. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 24.3.2010, 3 K 3258/06 B), wonach die wertbegründenden Eigenschaften einer Sache ihrerseits Tatsache i. S. d. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO seien und der bei einem Grundstücksverkauf unter dem nach steuerlichen Bewertungsvorschriften ermittelten Grundstückswert liegende Kaufpreis eine wertaufhellende Tatsache bzw. ein Beweismittel in Bezug auf den am Bewertungsstichtag bestehenden Verkehrswert.

 

Normenkette

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; BewG § 151 Abs. 1 S. 1, § 198

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.05.2017; Aktenzeichen II R 60/15)

BFH (Urteil vom 17.05.2017; Aktenzeichen II R 60/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerinnen haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Antrag nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO), mit dem die Herabsetzung des Grundbesitzwerts begehrt wird.

Die Klägerinnen erhielten im Wege einer Schenkung das Eigentum an der in S. gelegenen Wohnung Nr. 1 mit Wirkung zum 07.07.2010 übertragen. Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 16.06.2011 stellte der Beklagte den Grundbesitzwert der Wohnung unter Anwendung der § 151 Abs. 1 Satz 1 Bewertungsgesetz (BewG) i. V. m. § 176 ff BewG für Zwecke der Schenkungsteuer auf 62.183 EUR gesondert fest. Den Betrag rechnete er den Klägerinnen jeweils zur Hälfte zu. Von der Möglichkeit des § 198 BewG den niedrigeren gemeinen Wert durch ein Wertgutachten nachzuweisen, machten sie in ihrer am 06.05.2011 von der Klägerin zu 2. persönlich beim Beklagten abgegebenen Feststellungserklärung keinen Gebrauch. Die für den Bewertungsstichtag maßgebliche Anleitung für die Anlage Grundstück zur Feststellungserklärung enthielt zu den Zeilen 106 bis 108 „Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts” Hinweise auf die Nachweisführung durch Gutachten oder einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommenen Kaufpreis.

Die Klägerinnen veräußerten die Wohnung Nr. 1 zusammen mit der im Alleineigentum der Klägerin zu 2. stehenden gleichgroßen Wohnung Nr. 2 am 27.09.2011 zum Gesamtpreis von 100.000 EUR.

Unter Hinweis auf R 198 Abs. 4 ErbStR 2011, wonach ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück als Nachweis des niedrigeren gemeinen Wertes dienen kann, beantragten die nunmehr steuerlich vertretenen Klägerinnen mit Schreiben vom 21.05.2014 die Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Zur Begründung beriefen sie sich auf eine Verfügung der OFD Karlsruhe vom 05.09.2013 (S 3000/23 S 4606/2) sowie das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24.03.2010 (3 K 3258/06 B). Danach lägen die Voraussetzungen einer Änderung bestandskräftiger Feststellungsbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO vor, wenn der Steuerpflichtige – wie hier – durch Nachweis eines Verkaufserlöses einen niedrigeren gemeinen Wert nachweise. Hiernach sei der Grundbesitzwert um 12.000 EUR zu mindern.

Antrag und Einspruch blieben erfolglos. Der Beklagte führte aus, die Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheide mangels einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache aus. Denn das Grundstück sei erst nach der abschließenden Entscheidung des für die Feststellung des Grundbesitzwerts zuständigen Amtsträgers veräußert worden. Die Veräußerung beinhalte ferner kein rückwirkendes Ereignis i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Gegen die Einspruchsentscheidungen vom 23.10.2014 haben die Klägerinnen am 24.11.2014 jeweils für sich Klage erhoben, die das Gericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen 2 K 782/14 verbunden hat.

Für ihre Klage berufen sich die Klägerinnen im Wesentlichen auf das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 24.03.2010 (3 K 3258/06 B). Danach stelle der im Streitfall erzielte niedrigere Kaufpreis eine wertaufhellende Tatsache bzw. ein Beweismittel für den am Bewertungsstichtag bestehenden niedrigeren gemeinen Wert dar. Ferner treffe sie an dem nachträglichen Bekanntwerden dieser Tatsache kein grobes Verschulden. Von der Möglichkeit, den geringeren gemeinen Wert durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommenen Kaufpreis nachzuweisen, hätten sie erst im Nachgang durch ihre Bevollmächtigte erfahren.

Die Klägerinnen beantragen,

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