Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Werden Grundstücke oder Gebäude an einen Unternehmer vermietet, vollzieht sich dies grundsätzlich im Rahmen einer steuerfreien Vermietung. Unter den Bedingungen des § 9 UStG kann der leistende Unternehmer aber auf die Steuerbefreiung verzichten. Grundsätzlich muss die Leistung, damit überhaupt ein Verzicht auf die Steuerbefreiung in Frage kommen kann, an einen Unternehmer für dessen Unternehmen erfolgen. Bei Gebäuden, die ab dem 11.11.1993 errichtet wurden, ist weitere Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger bezüglich einer ihm berechneten Umsatzsteuer aus der Vermietung voll zum Vorsteuerabzug berechtigt sein muss. Ist in diesen Fällen der Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, muss die Vermietung oder Verpachtung zwingend steuerfrei erfolgen.
Die Finanzverwaltung hatte bisher die Rechtsauffassung vertreten, dass auch Unternehmer, die die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 23 oder § 23a UStG oder die Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG für Land- und Forstwirte anwenden, zu den vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmern gehören, sodass ihnen gegenüber auch bei den ab dem 11.11.1993 errichteten Gebäuden auf die Steuerfreiheit verzichtet werden konnte.
Offensichtlich war es bei durchschnittssatzbesteuerten Land- und Forstwirten ein Modell, dass bei Neuerrichtung eines Stalls (o. ä. Gebäude), der Stall nicht durch den Landwirt selbst (dann ohne individuellen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten), sondern durch eine vorgeschaltete "Vermietungs-GbR" oder den Ehepartner errichtet und dann unter Verzicht auf die Steuerbefreiung an den Landwirt vermietet oder verpachtet wurde. In diesem Fall war sofort der Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten möglich, sodass nur noch die Nettoherstellungskosten finanziert werden mussten.
Der BFH hatte dem entgegen allerdings geurteilt, dass bei der Vermietung oder Verpachtung an einen durchschnittssatzbesteuerten Landwirt wegen § 9 Abs. 2 UStG nicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungs- oder Verpachtungsleistung verzichtet werden darf. Die Finanzverwaltung übernimmt jetzt die Rechtsprechung des BFH und wendet sie nicht nur auf die Land- und Forstwirte an, die § 24 UStG anwenden, sondern zutreffend auch für die Unternehmer, die die Vorsteuerbeträge nach § 23 oder § 23a UStG pauschalieren.
Konsequenzen für die Praxis
Die Finanzverwaltung vollzieht die vom BFH 2018 angestoßene Veränderung bei dem Verzicht auf die Steuerbefreiung. Dies ist systematisch wohl zutreffend.
Vermieter sollten sich deshalb – gerade bei Vermietung von kleinen Einheiten oder insbesondere auch bei Untervermietungen – intensiv mit den umsatzsteuerrechtlichen Bedingungen ihrer Mieter beschäftigen. Oftmals ist dies vielleicht nicht so transparent, insbesondere bei bestehenden Untermietverhältnissen.
Vermieter V vermietet in einem 2010 errichteten Bürogebäude 500 m² Bürofläche an eine Steuerberatungs-GmbH unter Verzicht auf die Steuerbefreiung steuerpflichtig. Die Steuerberatungs-GmbH vermietet einen Büroraum von 28 m² an den nebenberuflich als selbstständiger Rechtsanwalt tätigen R. Da der Umsatz des R nicht 61.356 EUR übersteigt, pauschaliert R seine Vorsteuerbeträge nach § 23 UStG.
Da R nach der Rechtsprechung des BFH nicht individuell für Leistungsbezüge zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kann die Steuerberatungs-GmbH bei der Untervermietung an R nicht auf die Steuerbefreiung verzichten. Insoweit ist für diesen Raum auch die Option des V bei der Vermietung an die Steuerberatungs-GmbH ausgeschlossen, da die Mieterin insoweit wegen der steuerfreien Untervermietung vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.
Soweit bei solchen Vermietungen dennoch Umsatzsteuer in einer Rechnung oder einem Mietvertrag gesondert ausgewiesen wird, handelt es sich um einen unrichtigen Steuerausweis, diese Umsatzsteuer wird nach § 14c Abs. 1 UStG geschuldet. In diesen Fällen mit dem Mietobjekt zusammenhängende Vorsteuerbeträge sind nicht zum Abzug zugelassen, ggf. muss eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vorgenommen werden.
Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn dies für Umsätze, die vor dem 1.1.2020 bewirkt wurden, noch nicht angewendet wird.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 6.11.2020, III C 3 – S 7198/20/10002 :003, BStBl 2020 I S. 1202.