Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Kommentar
Ein durchlaufender Posten in der Umsatzsteuer liegt vor, wenn ein Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen Beträge vereinnahmt und verausgabt. Diese durchlaufenden Posten gehören nicht mit zum Entgelt. Voraussetzung ist immer, dass der Unternehmer, der den Betrag vereinnahmt und verausgabt, als Mittelsperson fungiert und nur die Funktion eines "Geldboten" übernimmt. Geldbeträge, die der Unternehmer selbst schuldet, können deshalb keinen durchlaufenden Posten darstellen.
Die Finanzverwaltung hatte bisher die Rechtsauffassung vertreten, dass ein durchlaufender Posten auch dann ausscheidet, wenn der Unternehmer die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger seiner Leistung schuldet. Diese Auffassung stand aber in direktem Widerspruch zu einer Entscheidung des BFH, der – im Fall der Gebühren für eine zweite Leichenschau – festgestellt hatte, dass diese Gebühren auch dann durchlaufende Posten sind, wenn das Krematorium die Beträge gesamtschuldnerisch mit dem Empfänger ihrer Leistung schuldet.
Die Finanzverwaltung hebt jetzt den Hinweis auf, dass ein durchlaufender Posten bei einer gesamtschuldnerischen Haftung nicht vorliegen könne. Ersetzt wird dies dadurch, dass bei Gesamtschuldnerschaft der Nachweis über die Funktion als Mittelsperson dem Unternehmer obliegt.
Gleichzeitig wird der Hinweis aufgehoben, dass die Weiterberechnung der nach § 2 BFStrMG geschuldeten Mautbeträge grds. als durchlaufender Posten ausscheidet.
Der BFH hatte in seiner Entscheidung weiterhin festgestellt, dass die Behandlung als durchlaufender Posten davon abhängig ist, dass auch eine entsprechende Erfassung in der Buchhaltung erfolgt und damit dem Unternehmer über die Art der buchhalterischen Erfassung gewissermaßen ein Wahlrecht zusteht. Die Finanzverwaltung übernimmt diese Rechtsauffassung nicht und stellt klar, dass über den (damals) entschiedenen Fall hinaus die korrespondierende Erfassung in der Buchhaltung des Unternehmers nicht Voraussetzung für einen durchlaufenden Posten ist.
Die Finanzverwaltung hebt darüber hinaus auch ein BMF-Schreiben zur Behandlung von Deponiegebühren auf. Dieses Schreiben nahm Bezug auf eine Entscheidung des BFH, in der der BFH festgestellt hatte, dass ein Unternehmer, der Abfälle einzelner Kunden in Containern bei Mülldeponien eines Landkreises anliefert und gemäß dessen Abfallsatzung als Gebührenschuldner der Deponiegebühren herangezogen wird, diese Deponiegebühren als durchlaufende Posten behandeln kann. Voraussetzung ist, dass dem Betreiber der Deponie der jeweilige Auftraggeber bekannt ist, z. B. aufgrund eines vom Anlieferer abgegebenen Ursprungszeugnisses/Deponieauftrags.
Konsequenzen für die Praxis
Nach mehr als 8 Jahren hat die Finanzverwaltung nun zu einer Entscheidung des BFH Stellung genommen. Außer einem konkreten Hinweis darauf, dass die Sichtweise des BFH bezüglich einer Abhängigkeit von der buchhalterischen Erfassung nicht geteilt wird – was die Finanzverwaltung schlüssig unionsrechtlich begründet – sind dem Schreiben aber wenige praktisch verwertbare Hinweise zu entnehmen.
Schulden Unternehmer gesamtschuldnerisch mit ihren Kunden/Auftraggebern Gebühren oder Abgaben, sollte schon vertraglich eine ausreichende Klärung vorgenommen werden, für wen die Beträge vereinnahmt/verausgabt werden. Die in einer Rechnung erfolgte Aufnahme als durchlaufender Posten kann m. E. nur als Indiz dienen, nicht aber rechtsbegründend für die Annahme eines durchlaufenden Postens sein. Das Risiko, später mit Umsatzsteuer aus einem fehlerhaft erfassten "durchlaufenden Posten" belastet zu werden, liegt bei dem leistenden Unternehmer.
Die Regelungen gelten aber nur in den Fällen, in denen sich eine Gesamtschuldnerschaft für die Beträge (z. B. Gebühren, Abgaben etc.) ergibt. Soweit ausdrücklich nur der Dritte der Schuldner von verauslagten Beträgen ist, ergibt sich aus diesem Schreiben keine Veränderung an den bisherigen systematischen Grundsätzen zur Behandlung von durchlaufenden Posten.
Die Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Die Finanzverwaltung beanstandet es aber nicht, wenn Unternehmer sich für bis zum 31.12.2022 ausgeführte Umsätze auf die bisherige Verwaltungsauffassung berufen.
Link zur Verwaltungsanweisung
BMF, Schreiben v. 11.1.2023, III C 2 – S 7200/19/10004 :005, BStBl 2022 I S. 179