Leitsatz
Der Vorsteuerberichtigungsanspruch gem. § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG entsteht mit der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt i.S.v. § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 InsO (Bestätigung des BFH-Urteils vom 8.8.2013, V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747).
Normenkette
§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 InsO, §§ 68, 121, 127 FGO
Sachverhalt
Der Kläger ist Einzelunternehmer und war Organträger einer GmbH. Die GmbH beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzgericht bestellte mit Beschluss vom 25.2.2009 einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete an, dass Verfügungen nur noch mit seiner Zustimmung wirksam sind. Mit Beschluss vom 30.4.2009 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren.
Das Finanzamt ging davon aus, dass der Kläger als Organträger aufgrund der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der GmbH den Vorsteuerabzug aus den unbezahlt gebliebenen Leistungsbezügen der GmbH nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu berichtigen habe und änderte den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid April 2009 entsprechend. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG ging davon aus, dass die Organschaft erst mit der Insolvenzeröffnung geendet habe (FG Nürnberg, Urteil vom 18.7.2013, 2 K 1341/11, Haufe-Index 5337164, EFG 2013, 1894). Während des Revisionsverfahrens erging der Umsatzsteuerjahresbescheid.
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung des FG aus formalen Gründen auf, bestätigte aber im Ergebnis das Urteil des FG. Die Vorsteuerberichtigung ergab sich bereits aus der Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt. Auf die Frage, ob die Organschaft entsprechend dem FG-Urteil noch nach dessen Bestellung bestanden hat, kam es nicht mehr an, da das Finanzamt nicht zusätzlich geltend gemacht hatte, dass der Kläger auch die von der Organ-GmbH während des Insolvenzeröffnungsverfahrens ausgeführten Umsätze zu versteuern habe.
Hinweis
1. Der Unternehmer kann den Vorsteuerabzug aufgrund einer bezogenen Leistung bereits mit Vorliegen einer ordnungsgemäßen Rechnung in Anspruch nehmen, ohne dass es auf die Zahlung des Rechnungsbetrages ankommt (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 2 UStG). Unterbleibt die Zahlung, ist der Vorsteuerabzug nach § 17 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 2 (früher: Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) UStG zu berichtigen.
2. Der BFH ist lange Zeit davon ausgegangen, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch für unbezahlt gebliebene Leistungsbezüge im Insolvenzfall – vorbehaltlich anderer Umstände wie z.B. dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit – spätestens im Augenblick der Insolvenzeröffnung entsteht (so z.B. bereits BFH vom 13.11.1986, V R 59/79, BStBl II 1987, 226). Damit ist der Vorsteuerberichtigungsanspruch insolvenzrechtlich eine als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) zu berücksichtigende Besteuerungsgrundlage.
3. Mit Urteil vom 8.8.2013, V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747 hat der BFH die Entstehung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs auf den Zeitpunkt vorverlegt, in dem das Insolvenzgericht im Insolvenzeröffnungsverfahren einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 InsO) bestellt.
4. Im nunmehr vorliegenden Urteil vom 3.7.2014 hält der BFH daran fest. Dies ist insoweit bedeutsam, als die Finanzverwaltung die Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 8.8.2013, das auch die Organschaft betrifft, im Hinblick auf die zur Organschaft derzeit beim EuGH anhängigen Rechtssachen C-108/14 Larentia + Minerva und C-109/14 Marenave Schiffahrt im BStBl vorerst zurückgestellt hat (BMF, Schreiben vom 5.5.2014, BStBl I 2014, 820). Mit dem neuen Urteil stellt der BFH klar, dass die neue Rechtsprechung zur Vorsteuerberichtigung unabhängig von den derzeit in Bezug auf die Organschaft bestehenden Zweifelsfragen gilt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.7.2014 – V R 32/13