Rz. 852
Eine Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführer ist zwar nicht im GmbHG normiert, doch wird eine solche in § 85 Abs. 1 GmbHG ausdrücklich vorausgesetzt. Dass eine solche besteht, ist unstreitig. Lediglich die dogmatische Begründung ist noch ungeklärt. Während einige die Grundlage der Verschwiegenheitspflicht in der organschaftlichen Treuepflicht der Geschäftsführer erachten, wollen andere wiederum die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung heranziehen. Einige stützen das Bestehen dieser Pflicht kumulativ auf beide Ansätze.
1.14.1 Gegenstand der Verschwiegenheitspflicht
Rz. 853
Der Verschwiegenheitspflicht der Geschäftsführung unterliegen
- alle Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft, also alle Tatsachen, die nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind;
- alle vertraulichen Angaben; das sind Angaben, deren vertrauliche Behandlung im Interesse der Gesellschaft liegt oder, anders ausgedrückt, deren Mitteilung an Dritte sich für die Gesellschaft nachteilig auswirken könnte.
Rz. 854
Entscheidendes Merkmal für die Beurteilung der Schweigepflicht ist "allein das Interesse des Unternehmens, sich davor zu bewahren, dass geheimhaltungsbedürftige Informationen an die Öffentlichkeit getragen werden und der Gesellschaft daraus Nachteile entstehen." Der Pflicht zur Verschwiegenheit unterliegen alle Geschäftsführungsmitglieder, somit auch Arbeitsdirektoren einer mitbestimmten GmbH.
1.14.2 Umfang der Verschwiegenheitspflicht
Rz. 855
Die Verschwiegenheitsverpflichtung besteht wegen des diesen nach § 51a GmbHG zustehenden Einsichts- und Auskunftsrechts nicht gegenüber Gesellschaftern, es sei denn, es liegt im Einzelfall ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 51a Abs. 2 GmbHG vor und es wurde ein entsprechender Beschluss gem. § 51a Abs. 2 Satz 2 GmbHG durch die Gesellschafterversammlung gefasst. Gegenüber Mitarbeitern der Gesellschaft besteht die Verschwiegenheitsverpflichtung, es sei denn, die Weitergabe vertraulicher Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft ist erforderlich, damit die Mitarbeiter ihre Aufgaben für die Gesellschaft erfüllen können). Die Verschwiegenheitsverpflichtung besteht ferner gegenüber den verschiedenen Arbeitnehmervertretungen nach dem BetrVG und ihren Mitgliedern (soweit nicht Informationspflichten nach dem BetrVG bestehen), gegenüber anderen Konzernunternehmen und deren Organen (Ausnahme: Im Vertragskonzern kann die Verschwiegenheitsverpflichtung im Konzerninteresse durchbrochen werden) sowie gegenüber außenstehenden Dritten.
Rz. 856
Keine Verschwiegenheitsverpflichtung – sondern im Gegenteil die Verpflichtung zur Offenheit und Offenlegung aller wesentlichen, auch vertraulichen Angelegenheiten – besteht gegenüber anderen Geschäftsführungsmitgliedern sowie den Mitgliedern eines satzungsmäßigen Aufsichtsrats oder Beirats, soweit diesen gegenüber eine Offenlegungspflicht besteht. Keine Verschwiegenheitsverpflichtung besteht darüber hinaus gegenüber Beratern der Gesellschaft, die ihrerseits einer gesetzlichen Verschwiegenheitsverpflichtung unterliegen (z. B. Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern).
Rz. 857
Die Verschwiegenheitsverpflichtung besteht ohne zeitliche Beschränkung über die Beendigung der Organstellung und des Dienstvertrags hinaus.
1.14.3 Verschwiegenheitsverpflichtung bei Transaktionen/Due Diligence – Prüfungen
Rz. 858
Umstritten ist die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang ein Geschäftsführer vertrauliche Angaben im Rahmen der Veräußerung einer (wesentlichen) Beteiligung an der GmbH oder eines Unternehmensteils offenbaren darf. Üblicherweise führt der Beteiligungs-/Kaufinteressent eine gründliche Prüfung der rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Verhältnisse des Unternehmens oder Unternehmensteils ("Legal, Financial and Tax Due Diligence") durch, bevor er eine Beteiligungs-/Kaufentscheidung trifft und hierüber einen Vertrag abschließt. In diesem Rahmen verlangt der Beteiligungs-/Kaufinteressent regelmäßig auch die Offenlegung vertraulicher Angaben.
Rz. 859
Anders als der Vorstand einer Aktiengesellschaft haben die Geschäftsführer einer GmbH nicht die Kompetenz, im Rahmen des beabsichtigten Verkaufs von Geschäftsanteilen die für eine Due Diligence begehrten Informationen herauszugeben. Vielmehr handelt es sich bei der Herausgabe vertraulicher Angaben zur Durchführung einer Due Diligence um eine außergewöhnliche Maßnahme, die nicht mehr vom Alltagsgeschäft gedeckt ist, sodass die Geschäft...