1.8.1 Übertragung auf die Gesellschafter und andere Stellen
Rz. 704
Kernbereiche müssen unangetastet bleiben
Die Geschäftsführungsbefugnis liegt nicht zwingend bei den Geschäftsführern, sie kann, anders als die Vertretungsbefugnis, auf andere Stellen übertragen werden, sofern die Kernbereiche der eigentlichen Geschäftsführertätigkeit, insbesondere gesetzlich normierte Pflichten bezüglich des Handelsregisters sowie sonstige Pflichten, die den Geschäftsführer gegenüber der Öffentlichkeit treffen, nicht angetastet werden.
So ist es zunächst aufgrund der Allzuständigkeit der Gesellschafter möglich, dass sie konkrete Angelegenheiten der laufenden Geschäftsführungstätigkeit durch Gesellschafterbeschluss zur Entscheidung oder Ausführung an sich ziehen. Auf diesem Weg können die Gesellschafter beispielsweise die Kompetenzen zur Durchführung eines konkreten Projektes derart an sich ziehen, dass die Vertragsverhandlungen von ihnen – oder einem von ihnen – selbst durchgeführt werden und sie darüber entscheiden, ob das Projekt (und der dazu verhandelte Vertrag) auf der Grundlage des erzielten Verhandlungsergebnisses durchgeführt wird oder nicht; der tatsächliche Abschluss des verhandelten Vertrags muss (und kann nur) im Wege einer Vertretung durch den Geschäftsführer erfolgen, denn nur dieser kann die GmbH wirksam nach außen vertreten. Zur Durchsetzung des Vertragsabschlusses durch die Geschäftsführung können die Gesellschafter dann wiederum von ihrem allgemeinen Weisungsrecht gem. § 37 Abs. 1 GmbHG Gebrauch machen.
Rz. 705
Außerdem kann die Geschäftsführungsbefugnis in dem in vorstehender Randziffer umschriebenen Rahmen (Ausnahme: Kernbereiche der eigentlichen Geschäftsführertätigkeit) auf Dritte übertragen werden. Dies kann durch Gesellschafterbeschluss oder durch Satzungsänderung erfolgen, wobei eine Satzungsänderung jedenfalls dann zwingend notwendig ist, wenn die Geschäftsführungsbefugnis solchen Dritten übertragen werden soll, die bisher keine Organfunktion der GmbH innehaben, oder aber die Geschäftsführungsbefugnis in der Satzung ausdrücklich den Geschäftsführern vorbehalten ist.
1.8.2 Weisungsrecht
Rz. 706
Die Funktion des Geschäftsführers als Führungsorgan der GmbH erfährt, wie bereits mehrfach erwähnt, dahingehend eine grundsätzliche "Einschränkung", dass er gem. § 37 Abs. 1 GmbHG verpflichtet ist, gesellschaftsvertragliche sowie durch Gesellschafterbeschluss gefasste Beschränkungen einzuhalten. Anders ausgedrückt: "Dem Geschäftsführer kommt Geschäftsführungsbefugnis nur dann und insoweit zu, als die Gesellschafterversammlung von ihrer Geschäftsführungskompetenz weder durch Regelung im Gesellschaftsvertrag noch durch Beschlussweisung an den Geschäftsführer Gebrauch macht". Es besteht mithin ein Weisungsrecht, das die Gesellschafterversammlung durch Beschluss ausüben kann. Die Gesellschafterversammlung kann hierdurch direkten Einfluss auch auf das Tagesgeschäft ausüben: Es können Beschlüsse sowohl im positiven als auch im negativen Sinne gefasst werden, um dem Geschäftsführer konkrete Handlungen aufzuerlegen oder zu verbieten.
Nichtige oder schwebend unwirksame Beschlüsse muss der Geschäftsführer hingegen nicht ausführen, ebenso kann er die Ausführung anfechtbarer Beschlüsse bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist verweigern, wenn er die Anfechtbarkeit sorgfältig geprüft hat. Auch solche Weisungen, die für die Gesellschaft nachteilig sind, hat der Geschäftsführer zu befolgen, sofern diese nicht gegen §§ 30, 64 GmbHG verstoßen.
Textform
Zwar bestehen für Weisungen keine Formvorschriften, allerdings können und sollten die Geschäftsführer zu Beweiszwecken verlangen, dass ihnen die Weisungen zumindest in Textform (§ 126b BGB) erteilt bzw. bestätigt werden.
Rz. 707
Das Weisungsrecht der Gesellschafter erlangt auch im Rahmen des § 46 Nr. 8 Alt. 1 GmbHG Bedeutung. Nach dieser Regelung beschließt die Gesellschafterversammlung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, die der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen. Die Gesellschafter sind mithin befugt, über die Geltendmachung von Ansprüchen – eigentlich eine typische Aufgabe der Geschäftsführung – zu beschließen. Sie können die Geltendmachung positiv oder negativ beschließen, der Geschäftsführer hat dem Beschluss Folge zu leisten und diesen tatsächlich auszuführen. Ohne Gesellschafterbeschluss können Ersatzansprüche gegen Geschäftsführer oder...