Rz. 1077
Ein Verstoß gegen die Compliance-Pflicht des Geschäftsführers stellt einen Verstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG dar. Der Geschäftsführer haftet mithin für die Verletzung seiner Compliance-Pflichten gem. § 43 Abs. 2 GmbHG, während die GmbH nach den jeweils verletzten Spezialvorschriften (z. B. § 14 Abs. 6 MarkenG (Schadensersatz bei Markenverletzung), § 81 Abs. 4 GWB (Bußgeld bei Kartellverstößen) in Anspruch genommen werden kann. Eine Haftung der Geschäftsführer kann sich auch dann ergeben, wenn nach Art und Größe des Unternehmens die Einrichtung eines funktionierenden Compliance-Management-Systems ("CMS") erforderlich ist, die Geschäftsführung dies jedoch unterlässt. Das Aufsichtsorgan muss im Rahmen seiner Überwachungspflichten die Beachtung der Compliance-Pflichten (ggf. auch die Einrichtung eines funktionierenden CMS) durch die Geschäftsführung überwachen, bei einem Verstoß kommt eine Haftung der Mitglieder des Aufsichtsorgans nach § 52 Abs. 1 GmbHG i. V. m. §§ 116, 93 AktG in Betracht.
So haften Geschäftsführer und Aufsichtsorgan beispielsweise dann, wenn mit ihrem Wissen oder ihrer Billigung Geld aus dem offiziellen Buchhaltungskreis in verdeckte ("schwarze") Kassen "abgezweigt" wird. Die "gute" Absicht, die Geldmittel bei späterer Gelegenheit einzusetzen, um dem Unternehmen durch Bestechungszahlungen Aufträge und damit mittelbar einen Vermögensvorteil zu verschaffen, ändert an der Schadensersatzpflicht nichts. Schon das Entziehen und Vorenthalten erheblicher Vermögenswerte unter Einrichtung verdeckter Kassen führt zu einem endgültigen Vermögensnachteil.
Rz. 1078
Des Weiteren können Verstöße gegen die Compliance-Pflicht eine Strafbarkeit von Geschäftsführern und Mitgliedern des Aufsichtsorgans auslösen. Diese haben in Bezug auf die Compliance eine Garantenstellung i. S. d. § 13 StGB inne: Erlangen sie Kenntnis davon, dass strafbare Handlungen vom Unternehmen ausgehen, müssen sie das in ihrer Macht Stehende tun, um diese Straftaten zu verhindern; andernfalls machen sie sich selbst strafbar. So können sie sich z. B. des Betrug durch Unterlassen gem. §§ 263, 13 StGB strafbar machen, wenn sie Kenntnis davon haben, dass Mitarbeiter der GmbH durch Täuschungen gegenüber Kunden vorgehen, um erzeugte Produkte der GmbH zu vertreiben und ihrerseits nicht einschreiten. Die Garantenpflicht bezieht sich jedoch nur auf die Verhinderung betriebsbezogener Straftaten.
Rz. 1079
Neben der Garantenpflicht besteht das Risiko für den Geschäftsführer, eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 OWiG zu begehen. Danach handelt ordnungswidrig,
"wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre."
"Inhaber des Betriebs oder Unternehmens" ist bei der GmbH der Geschäftsführer, wie sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ergibt.
Rz. 1080
Die Einrichtung eines wirksamen CMS hat für den Geschäftsführer und die GmbH in mehrfacher Hinsicht entlastende Wirkung: Ist nach Art und Größe des Unternehmens ein CMS erforderlich, haften die Geschäftsführer bei Compliance-Verstößen im Unternehmen grundsätzlich schon wegen des Versäumnisses, ein CMS einzurichten. Bei im Falle von Compliance-Verstößen drohender Abberufung, Vertragskündigung und/oder Schadensersatz kann sich der Geschäftsführer durch ein ordnungsgemäß eingerichtetes und praktiziertes CMS exkulpieren. Unternehmensgeldbußen, die beispielsweise nach § 134 OWiG drohen, können hierdurch abgewehrt werden. Ein ordnungsgemäß eingerichtetes und praktiziertes CMS ist auch unabdingbare Voraussetzung dafür, bei trotzdem geschehenen Bestechungshandlungen einer Strafbarkeit nach Ziff. 7 U.K. Bribery Act 2010 zu entgehen oder eine Unternehmensstrafe nach Chapter 8, § 8 C2.5 der U.S. Federal Sentencing Guidelines zu mildern.
Rz. 1081
Unter welchen Voraussetzungen die Einrichtung eines CMS für das Unternehmen strafreduzierende Wirkung haben kann, hat der BGH in einem Urteil vom 9.5.2017 verdeutlicht: Gegenstand des Verfahrens war ein millionenschweres Rüstungsgeschäft eines in Deutschland ansässigen Rüstungsunternehmens mit dem griechischen Staat. Um den Auftrag zu erhalten, wurden laut Urteil über eine zu diesem Zweck gegründete Beratungsgesellschaft Bestechungsgelder an den damaligen griechischen Verteidigungsminister gezahlt. Der Prokurist des im Verfahren nebenbeteiligten Rüstungsunternehmens gab eine von der Beratungsgesellschaft gestellte Provisionsrechnung in Höhe von rund 1,6 Mio. EUR (netto) zur Zahlung frei und leitete sie an die Buchhaltung weiter. Die Rechnung wurde von dem Unternehmen beglichen und von der Buchhaltung entgegen § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG als ordentliche Betriebsausgabe in Abzug geb...