Leitsatz
1. Bei Veräußerung einer Beteiligung i.S.v. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und Wahl der Zuflussbesteuerung (entsprechend R 140 Abs. 7 i.V.m. R 139 Abs. 11 EStR 2001) richtet sich die Besteuerung nach dem im Zeitpunkt des Zuflusses geltenden Recht (entgegen BMF, Schreiben vom 3.8.2004 in BStBl I 2004, 1187).
2. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1 EStG ist bei einer Veräußerung gegen wiederkehrende Leistung und Wahl der Zuflussbesteuerung anwendbar, auch wenn die Veräußerung vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens stattgefunden hat, wenn im Zeitpunkt des Zuflusses für laufende Ausschüttungen aus der Gesellschaft das Halbeinkünfteverfahren anwendbar gewesen wäre.
Normenkette
§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 2, § 24 Nr. 2, § 52 Abs. 4b Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war zu mehr als 25 % an einer Aktiengesellschaft beteiligt. Mit Verträgen von September 1999 und Juni 2000 veräußerte er die Aktien gegen Leibrenten und machte gegenüber dem Finanzamt von seinem Wahlrecht Gebrauch, die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen zu behandeln. Die im Streitjahr 2004 (nach Erreichen der Gewinnschwelle) zugeflossenen Leibrentenzahlungen setzte der Kläger nur zur Hälfte an. Das FA berücksichtigte die Zahlungen demgegenüber in voller Höhe. Die Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 2.1.2014, 4 K 244/11, Haufe-Index 6519763).
Entscheidung
Auf die Revision des Klägers hat der BFH das Urteil des FG aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Hinweis
1. Wird eine Beteiligung im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gegen eine Leibrente oder gegen einen in Raten zu zahlenden Kaufpreis veräußert, hat der Veräußerer ein Wahlrecht. Er kann den Veräußerungsgewinn entweder sofort versteuern oder stattdessen die Rentenzahlungen in Höhe des Tilgungsanteils als nachträgliche Betriebseinnahmen behandeln (heute: R17 [7] Satz 2 in Verbindung mit R 16 [11] EStR; früher R 140 Abs. 7 i.V.m. R 139 Abs. 11 EStR 2001). Im Besprechungsfall war streitig, ob sich bei Wahl der Zuflussbesteuerung die Steuer nach dem im Zeitpunkt des Zuflusses geltenden Recht (Halbeinkünfteverfahren) oder nach dem im Zeitpunkt der Veräußerung geltenden Recht richtet.
2. Der BFH billigt ein solches Wahlrecht. In den Fällen des § 17 EStG sei eine teleologische Reduktion von § 17 Abs. 2 EStG gerechtfertigt, wenn die zeitliche Streckung der Zahlung dem Versorgungsinteresse des Veräußerers dient und wenn es sich um wagnisbehaftete wiederkehrende Bezüge handelt, die z.B. an das Leben einer bestimmten Person geknüpft sind (so schon BFH, Urteil vom 20.7.2010, IX R 45/09 BFHE 230, 380, BStBl II 2010, 969 mit Anmerkung Heuermann BFH/PR 2010, 470). Diese Voraussetzungen hatte das FG im Streitfall bejaht. Daran war der BFH gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Von der Ausübung eines im Gesetz angelegten Wahlrechts war deshalb auszugehen.
a) Die Finanzverwaltung und ihr folgende Teile der Literatur sind der Meinung, es komme gleichwohl nach dem für § 17 EStG maßgeblichen Stichtagsprinzip auch bei Wahl der nachträglichen Besteuerung auf das im Zeitpunkt der Veräußerung geltende Recht an. Der Gewinn sei in diesem Zeitpunkt bereits realisiert. Das Halbeinkünfteverfahren könne nur Anwendung finden, wenn es auch im Fall der Sofortversteuerung des Veräußerungsgewinns zur Anwendung gekommen wäre.
b) Die Gegenauffassung stützt sich auf das Zuflussprinzip und stellt auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Zuflusses ab.
c) Der BFH hat sich der zuletzt genannten Ansicht angeschlossen. Die teleologische Einschränkung von § 17 Abs. 2 EStG bei Ausübung des Wahlrechts besteht gerade darin, dass die der Norm zugrunde liegende Stichtagsbetrachtung, die bei der Vereinbarung gestreckter Kaufpreiszahlungen nicht recht passt, durch das Zuflussprinzip ersetzt wird. Dies hat insbesondere Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns. Er entsteht in diesem Fall erst nach und nach mit dem Zufluss der einzelnen Zahlungen nach Erreichen der Gewinnschwelle. Dies schließt seine frühere Entstehung (Realisation) im Zeitpunkt der Veräußerung aus. Auf diesen Zeitpunkt kann es deshalb nicht ankommen.
d) Dadurch wird die Zuflussbesteuerung nicht ungerechtfertigt begünstigt. Im Streitfall wirkt sich die rechtliche Entwicklung für den Kläger zwar vorteilhaft aus; eine für ihn nachteilige Entwicklung der Rechtslage hätte er jedoch als Folge seiner Wahl in gleicher Weise hinnehmen müssen.
3. Ob und wie die einzelnen Zahlungen in einen Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen sind, konnte der BFH im Streitfall (erneut) offenlassen, weil es für die Besteuerung im Streitjahr nicht darauf ankam. Die Finanzverwaltung teilt seit langem auf.
4. Einige Sorgfalt verwendet das Urteil dann noch auf die Darlegung, dass § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c Satz 1 EStG auf die nachträglich zufließenden Bestandteile des Veräußerungsgewinns auch sachlich und zeitlich anwendbar ist. Die Subsumtion unter den Wortlaut der Vorschrift bereitet insofern zwar Mühe; im Ergebnis dürfte daran indes kein ernst...