Leitsatz
1. Einkünfte eines in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen aus der Vermietung eines in der Schweiz belegenen Grundstücks sind von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen, wenn das Grundstück einer Betriebsstätte "dient", die ihre Gewinne aus einer der in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 1 DBA-Schweiz 1971/2002 beschriebenen Tätigkeiten erzielt (Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a Halbsatz 2 DBA‐Schweiz 1971/2002). Dies setzt voraus, dass es sich bei den Vermietungseinkünften um Nebenerträge handelt, die nach der Verkehrsauffassung zu der Tätigkeit gehören, bei der das Schwergewicht der in der Betriebsstätte ausgeübten Unternehmenstätigkeit liegt (funktionale Betrachtungsweise).
2. Die Hinzurechnung von in den Wirtschaftsjahren 2004 bis 2006 erzielten Zwischeneinkünften i.S. des § 8 Abs. 1 AStG einer in der Schweiz ansässigen Zwischengesellschaft beschränkt zwar die Kapitalverkehrsfreiheit, ist aber gerechtfertigt und verstößt daher nicht gegen Unionsrecht (Fortführung des EuGH-Urteils X vom 26.02.2019 ‐ C‐135/17, EU:C:2019:136, IStR 2019, 347, und des Senatsurteils vom 22.05.2019 ‐ I R 11/19 (I R 80/14), BFHE 265, 322).
Normenkette
§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a DBA-Schweiz 1971/2002, Art. 56 EG, Art. 63 AEUV
Sachverhalt
Der Kläger war in den Jahren 2004 bis 2006 Alleingesellschafter der J‐GmbH mit Sitz in der Schweiz. Außerdem war er mittelbar an der schweizerischen S-AG beteiligt.
Der Kläger hatte in den Jahren 2004 bis 2006 Wohnsitze sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz. Die Ehefrau und die Kinder des Klägers lebten zunächst überwiegend in der Schweiz, während sich der Kläger auch regelmäßig an seinem inländischen Wohnsitz aufhielt. Jedenfalls ab September 2005 hatten der Kläger und seine Familie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland.
Die J‐GmbH und die S‐AG besaßen zwei nebeneinander liegende Grundstücke in einer Gewerbe‐ und Industriezone einer schweizerischen Gemeinde. Die J‐GmbH, die ihr Grundstück in ihren Bilanzen als Anlagevermögen führte, erzielte aus der Vermietung von Grundstücksteilen in den Wirtschaftsjahren 2004 bis 2006 Einkünfte, die in der Schweiz einer Steuerbelastung von weniger als 25 % unterlagen. Im Jahr 2008 reichten die J‐GmbH und die S‐AG gemeinsam ein sog. Umzonungsgesuch ein, mit dem Ziel, das Areal in eine Wohn‐ und Gewerbezone umzuwandeln.
Das FA erließ für die Feststellungsjahre 2005 bis 2007 (Wirtschaftsjahre 2004 bis 2006) auf der Grundlage von § 18 AStG Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, in denen es dem Kläger aufgrund seiner Beteiligung an der J‐GmbH und der von dieser erzielten Vermietungseinkünfte Hinzurechnungsbeträge nach Maßgabe der §§ 7ff. AStG zurechnete.
Der Kläger war demgegenüber der Auffassung, die Voraussetzungen der Hinzurechnung lägen nicht vor. Insbesondere handele es sich bei den Vermietungseinnahmen um Nebeneinkünfte zur Haupttätigkeit der J‐GmbH, die auf den gewerblichen Grundstückshandel gerichtet gewesen sei. Außerdem verstoße die Hinzurechnungsbesteuerung gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit. Seine Klage blieb jedoch ohne Erfolg (FG Münster, Urteil vom 30.10.2014, 2 K 618/11 F, Haufe-Index 7604172, EFG 2015, 351).
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des Klägers einstimmig durch Beschluss gemäß § 126a FGO zurück. Wegen der Gründe wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.
Hinweis
1. Der Beschluss fügt sich in eine Kette neuerer Entscheidungen des I. Senats des BFH zur Hinzurechnungsbesteuerung in Drittstaatensachverhalten ein. Manches klingt daher vertraut; Neues bringt der Beschluss vor allem im Hinblick auf das im Streitfall einschlägige DBA Schweiz.
2. a) Im Anschluss an das EuGH-Urteil X (EuGH, Urteil vom 26.2.2019, C-135/17, IStR 2019, 347) hatte der BFH zu Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6, 6a AStG) zunächst entschieden, dass die Hinzurechnung solcher Einkünfte einer in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkt, diese Beschränkung aber gerechtfertigt ist. Insbesondere dann, wenn
- kein ausreichender Auskunftsverkehr mit dem Drittstaat vereinbart ist und
- die deutschen Finanzbehörden deswegen die Angaben des Steuerpflichtigen zur Tätigkeit der ausländischen Zwischengesellschaft nicht überprüfen können (BFH, Urteil vom 22.5.2019, I R 11/19, BFH/NV 2019, 1376, BFH/PR 2020, 56).
b) Diese Aussagen hat der BFH in einer ersten Folgeentscheidung ("Ungarn-Fall") auf die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7 Abs. 1 AStG) übertragen (BFH, Urteil vom 18.12.2019, I R 59/17, BFH/NV 2020, 1312, BFH/PR 2021, 39).
c) Der vorliegende Beschluss fügt sich nahtlos in diese Entscheidungslinie ein. Er betrifft die allgemeine Hinzurechnungsbesteuerung einer Schweizer Zwischengesellschaft. Auch diesbezüglich verstieß die Hinzurechnungsbesteuerung in den Streitjahren 2004 bis 2006 nicht gegen Unionsrecht, da damals noch kein ausreichender Auskunftsverkehr mit der Eidge...