Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes stellt eine zweistufige Ermessensentscheidung dar. Bei dem zunächst von der Finanzbehörde auszuübenden Entschließungsermessen sind insbesondere auch Verschuldensaspekte zu berücksichtigen.
Sachverhalt
Während einer beim Antragsteller (Ast.) durchgeführten Betriebsprüfung erbat der Prüfer unter Androhung eines Verzögerungsgeldes mehrfach die Vorlage verschiedener Unterlagen. Am 28.2.2012 setzte das Finanzamt (FA) ein Verzögerungsgeld fest und führte als Begründung an, der Ast. sei der Aufforderung zur Vorlage der Unterlagen nicht vollständig nachgekommen.
Hiergegen wendet sich der Ast. im Hauptsacheverfahren und begehrt zudem die Aussetzung der Vollziehung des Bescheides. Er macht geltend, dass der ausstehende Mietvertrag dem FA bereits in einem früheren Besteuerungsverfahren vorgelegt worden und gegenwärtig nicht mehr auffindbar sei. Wenn die Kopien dem FA nicht mehr vorlägen, könne ihm das nicht angelastet werden. Da die Wohnung bereits mehr als ein Jahrzehnt vermietet sei, könne sich der Prüfer auch durch Einsicht in die Kontoauszüge vom Fortbestehen des Mietverhältnisses überzeugen.
Entscheidung
Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung antragsgemäß gewährt. Es geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 146 Abs. 2b AO zwar erfüllt sind, jedoch dürfte das FA mit der Festsetzung des Verzögerungsgeldes sein Entschließungsermessen fehlerhaft ausgeübt haben.
Das Entschließungsermessen sei nicht dergestalt vorgeprägt, dass eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im Rahmen der Außenprüfung zur Festsetzung des Verzögerungsgeldes regelmäßig ausreicht. In das Entschließungsermessen seien vielmehr alle entscheidungserheblichen Umstände einzubeziehen, insbesondere auch Verschuldensaspekte.
Der Bescheid über die Festsetzung des Verzögerungsgeldes und auch die Einspruchsentscheidung ließen nicht erkennen, dass das Verschulden des Ast. und die Bedeutung der angeforderten Unterlagen für die Betriebsprüfung hinreichend berücksichtigt wurden. Soweit das FA das Verzögerungsgeld auf die fehlende Vorlage des Mietvertrages stützt, lasse es insbesondere den Vortrag des Ast. unberücksichtigt, er habe den Vertrag nicht mehr vorliegen.
Hinweis
Der Verschuldensaspekt ist zwar, anders als etwa beim Verspätungszuschlag nach § 152 AO, nicht ausdrücklich im Tatbestand des § 146 Abs. 2b AO genannt. Gleichwohl gehen einige Finanzgerichte davon aus, dass Verschuldensaspekte bei der Ausübung des Entschließungsermessens zu berücksichtigen sind. Zur Frage, welche Grundsätze für die Ermessensausübung hinsichtlich der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes wegen der Nichtvorlage angeforderter Unterlagen im Rahmen einer Außenprüfung gelten, ist derzeit beim BFH das Revisionsverfahren IV R 25/11 anhängig (vgl. auch BFH, Urteil v. 28.8.2012, I R 10/12).
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.10.2012, 5 V 5284/12