Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
Ermöglicht der Dienstherr zum Abbau von Personalüberhängen Beamten, die das 58. Lebensjahr vollendet und den Höchstruhegehaltssatz erreicht haben, in Form einer Sonderurlaubsregelung unwiderruflich die Freistellung vom Dienst unter Fortzahlung von 70 % der Besoldung bis zur Versetzung in den Ruhestand (sog. 58er-Regelung), so handelt es sich um einen "gleichartigen Bezug" i.S.d. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG und damit um begünstigte Versorgungsbezüge.
Normenkette
§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 19 Abs. 2 S. 1, § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. a, § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 2 Buchst. a EStG, § 12 Abs. 4 S. 2 SUrlV NW
Sachverhalt
Der im April 1938 geborene Kläger war als Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen nichtselbstständig tätig. Antragsgemäß bewilligte die OFD Münster dem Kläger in Anwendung eines Ministererlasses vom 12.08.1999 i.V.m. § 12 Abs. 1 und 4 der SUrlV NW unwiderruflich Sonderurlaub für die Zeit vom 01.02.2000 bis zum Beginn seines Ruhestands (April 2001) unter Fortzahlung von 70 % der im letzten Monat vor der Beurlaubung zustehenden Besoldung. Mit Ablauf des Monats April 2001 wurde der Kläger in den Ruhestand versetzt und sein Ruhegehalt auf 70,2 % der ruhegehaltsfähigen Bezüge festgesetzt.
Im streitigen ESt-Bescheid 2001 berücksichtigte das FA nur die ab Mai 2001 gezahlten Bezüge als Versorgungsbezüge und minderte den Vorwegabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Die Klage blieb erfolglos (FG Münster vom 25.09.2007, 15 K 767/04 E, Haufe-Index 1849584, EFG 2008, 51).
Entscheidung
Der BFH hob die Entscheidung des FG auf, qualifizierte die im Rahmen der Regelung gezahlten Bezüge aus den vorstehend genannten Gründen als Versorgungsbezüge und ließ daher auch den Vorwegabzug ungekürzt zu.
Hinweis
Das Besprechungsurteil warf die Frage auf, ob vom Arbeitgeber stammende Zahlungen, die jedenfalls zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit gehörten, als regulär besteuerter Arbeitslohn oder als vergünstigt besteuerte Versorgungsbezüge zu behandeln waren.
1. Nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit u.a. auch Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Deren Begünstigung bestand im Streitjahr 2001 darin, dass nach § 19 Abs. 2 S. 1 EStG von Versorgungsbezügen 40 %, höchstens jedoch von 6 000 DM (3 072 EUR) steuerfrei (Versorgungs-Freibetrag) blieben und nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 S. 1 EStG der Vorwegabzug von 12 000 DM (6 136 EUR) zwar nach S. 2 Buchst. a um 16 % der Summe der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit i.S.v. § 19 EStG zu kürzen war, aber ohne Versorgungsbezüge gem. § 19 Abs. 2 EStG.
Damit war die Rechtsfrage vorgegeben: Hatte der Kläger Versorgungsbezüge erhalten? § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG definiert Versorgungsbezüge als Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die als Ruhegehalt oder als gleichartiger Bezug aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften gewährt werden.
2. Im Streitfall seien die gezahlten Bezüge solche aus früheren Dienstleistungen i.S.d. § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG, die zwar kein Ruhegehalt aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften, wohl aber einen "gleichartigen Bezug" aus früheren Dienstleistungen i.S.d. § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellten. Grundlage dieser Würdigung ist § 12 Abs. 4 S. 2 SUrlV NW i.V.m. dem Erlass des Finanzministers vom 12.08.1999 (sog. 58er-Regelung). Die davon begünstigten Beamten sind auf Dauer von ihren amtlichen Verpflichtungen entbunden und setzen den unwiderruflichen Antrag und die verbindliche Erklärung, die Versetzung in den Ruhestand zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen, voraus. Damit fehle das wesentliche Merkmal der in § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG genannten Bezüge, dass sie nämlich Gegenleistung für Dienstleistungen darstellten, die im gleichen Zeitraum geschuldet und erbracht werden. Die streitigen Bezüge während des Sonderurlaubs seien wie ein Ruhegehalt ohne Dienstleistungen und daher als dem Ruhegehalt gleichartige Bezüge anzusehen. Den Bezügen komme die Funktion eines vorgezogenen Ruhegehalts zu. Dem stehe nicht entgegen, dass der Kläger während des Sonderurlaubs Bezüge i.H.v. 70 % des letzten vor der Beurlaubung bezogenen Betrags erhalten habe, statt eines berechneten Ruhegehalts.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.02.2009 – VI R 50/07