Leitsatz
Auf das von einem Handelsvertreter entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgut "Vertreterrecht" (Ablösung des dem Vorgänger-Vertreter zustehenden Ausgleichsanspruchs durch Vereinbarung mit dem Geschäftsherrn) findet die zwingende typisierende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG zur betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer des Geschäfts- oder Firmenwerts keine Anwendung (Fortführung des Senatsurteils vom 18.01.1989, X R 10/86, BStBl II 1989, 549). Die auf das Vertreterrecht vorzunehmende AfA bemisst sich nach der im Schätzungsweg für den konkreten Einzelfall zu bestimmenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG
Sachverhalt
Der Kläger ist selbstständiger Handelsvertreter und als solcher für drei Unternehmen tätig. Im Jahr 1993 hatte er sich im Zusammenhang mit der Übernahme der Vertretungen gegenüber den drei Unternehmen zu Einstands- und Ausgleichszahlungen i.H.v. rd. 197 000 DM verpflichtet, die mit seinen künftigen Provisionsansprüchen verrechnet werden sollten. Der Kläger aktivierte die "Ausgleichssummen" in seiner Bilanz und nahm darauf AfA unter Zugrundelegung einer Nutzungsdauer von 5 Jahren vor. Demgegenüber meinte das FA, die aktivierten Ausgleichszahlungen stellten ein geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut dar und seien deshalb gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG auf 15 Jahre abzuschreiben.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Der BFH hob die FG-Entscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
§ 7 Abs. 1 Satz 3 EStG sei auf die entgeltlich erworbenen immateriellen "Vertreterrechte" nicht anzuwenden, weil es sich hierbei weder um Bestandteile des Geschäfts- oder Firmenwerts noch um geschäftswertähnliche Wirtschaftsgüter gehandelt habe. Maßgeblich für die Bestimmung der AfA seien daher die allgemeinen Grundsätze, wonach die Vertreterrechte nach der im jeweils konkreten Fall zu bestimmenden betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer (planmäßig) abzuschreiben seien. Diese betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer müsse das FG im zweiten Rechtsgang ermitteln.
Hinweis
Im Besprechungsurteil hat der BFH im Anschluss an seine frühere Rechtsprechung (vgl. BFH, Urteil vom 18.01.1989, X R 10/86, BStBl II 1989, 549) entschieden, dass das von einem selbstständigen Handelsvertreter entgeltlich erworbene "Vertreterrecht" kein geschäftswertähnliches Wirtschaftsgut darstelle, sodass auch die in § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG für den Geschäftswert zwingend vorgesehene – in den meisten Fällen viel zu lange – Nutzungsdauer die AfA auf das "Vertreterrecht" nicht zugrunde gelegt werden könne.
Die den Geschäftswert betreffende Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG ist durch das Bilanzrichtliniengesetz vom 19.12.1985 (BStBl I 1985, 704) in das EStG eingefügt worden. Vorher rechnete der (entgeltlich erworbene) Geschäftswert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG a.F. zu den nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern mit der Folge, dass auf ihn keine AfA vorgenommen werden konnten. Mit der durch das Bilanzrichtliniengesetz geschaffenen Neuregelung bezweckte der Gesetzgeber, dem Steuerpflichtigen im Interesse einer stärkeren Verknüpfung der steuerrechtlichen mit der handelsrechtlichen Gewinnermittlung die Möglichkeit zu verschaffen, den entgeltlich erworbenen Geschäftswert künftig auch bei der steuerrechtlichen Gewinnermittlung abschreiben zu können. In diesem Zusammenhang heben die Gesetzesmaterialien ausdrücklich hervor, dass der Gesetzgeber die typisierende Nutzungsdauer und damit den Abschreibungszeitraum des Geschäftswerts von 15 Jahren für steuerrechtliche Zwecke "nicht zuletzt auch wegen der mit der Abschreibung verbundenen Steuermindereinnahmen" vorgesehen hat (vgl. BT-Drucks. 10/4268, S. 147).
Im Gegensatz zum Geschäftswert waren die (nicht geschäftswertähnlichen) immateriellen Einzelwirtschaftsgüter, wie insbesondere das hier in Rede stehende "Handelsvertreterrecht", von der BFH-Rechtsprechung schon vor Inkrafttreten des Bilanzrichtliniengesetzes als abnutzbare Wirtschaftsgüter eingestuft worden, bei denen die AfA nach der im konkreten Einzelfall zu ermittelnden Nutzungsdauer vorzunehmen war (vgl. BFH, Urteil vom 18.01.1989, X R 10/86, BStBl II 1989, 549 betreffend die Streitjahre 1971 bis 1973).
Wie im Besprechungsurteil zu Recht hervorgehoben wird, ergeben sich aus den Materialien des Bilanzrichtliniengesetzes keine Anhaltspunkte dafür, dass die dort getroffene Neuregelung fortan auch für andere – nicht geschäftswertähnliche – immaterielle Wirtschaftsgüter gelten solle.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 12.07.2007, X R 5/05