Leitsatz
Leistet der Geschäftsführer einer GmbH in der irrtümlichen Annahme einer vertraglichen Leistungspflicht eine Zahlung an einen vormaligen Gesellschafter, liegt hierin jedenfalls dann eine vGA, wenn die Begründung der nach der Vorstellung des Geschäftsführers bestehenden Leistungspflicht als vGA zu beurteilen wäre.
Normenkette
§ 8 Abs. 3 S. 1 KStG
Sachverhalt
Eine GmbH betrieb eine Personenbeförderung im Omnibus-Überlandlinienverkehr. Ihre alleinige Gesellschafterin war zunächst die X-GmbH. Diese veräußerte die Beteiligung Ende 1995 zum 01.01.1996. In dem Anteilsveräußerungsvertrag bekundeten die Vertragsparteien Einigkeit darüber, dass bestimmte Nachzahlungen oder Erstattungen (u.a. gem. § 45a PBefG), die sich für die vergangenen Geschäftsjahre der GmbH ergeben, zulasten oder zugunsten der X-GmbH gehen sollten, soweit sie nicht zum 31.12.1995 bilanzmäßig erfasst sein würden.
Während des Jahres 1996 erhielt die GmbH eine das Jahr 1995 betreffende Erstattung nach § 45a PBefG. Sie passivierte in der Bilanz zum 31.12.1996 eine diesbezügliche Verbindlichkeit gegenüber der X-GmbH von rd. 2,9 Mio. DM und überwies diesen Betrag im November 1997 auf Anweisung ihres Geschäftsführers, der zu diesem Zeitpunkt auch Geschäftsführer der X-GmbH war, an diese. Nachdem die GmbH im weiteren Verlauf zu der Erkenntnis gelangt war, dass der X-GmbH aus dem Anteilsveräußerungsvertrag ein Zahlungsanspruch bezüglich der Erstattung nicht gegen sie, sondern gegenüber den Anteilserwerbern zugestanden hatte, forderte sie die geleistete Zahlung von der X-GmbH zurück. Diese verweigerte die Rückzahlung. Die GmbH änderte ihre Bilanzen nunmehr dahin, dass sie die passivierte Verbindlichkeit gegenüber der X-GmbH zum 31.12.1996 erfolgswirksam ausbuchte und in der Bilanz zum 31.12.1997 eine entsprechende Erstattungsforderung gegen die X-GmbH aktivierte, diese jedoch wegen der Zahlungsverweigerung auf 0 DM wertberichtigte. In späteren Jahren wurde die Auszahlung des Rückzahlungsanspruchs dann doch noch realisiert.
Das FA sah in der Zahlung vom November 1997 eine vGA.
Das FG hat dem gegen die Behandlung der Zahlung als vGA gerichteten Begehren der GmbH stattgegeben. In einem zweiten Streitpunkt (betreffend eine nicht anerkannte Drohverlustrückstellung) hat es die Klage abgewiesen (FG Köln, Urteil vom 10.05.2006, 13 K 67/03, Haufe-Index 1575904, EFG 2006, 1608).
Gegen das Urteil richten sich die Revisionen der GmbH wie des FA. Die GmbH hat ihr Rechtsmittel erst nach Ablauf der Frist gem. § 120 Abs. 2 FGO begründet und zugleich wegen der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Hilfsweise verfolgt die GmbH ihr Begehren im Rahmen einer Anschlussrevision.
Entscheidung
In punkto vGA hob der BFH das angefochtene FG-Urteil auf und wies die Klage ab: Die angenommene Verpflichtung möge tatsächlich nicht bestanden habe. Bei einer "virtuellen" Existenz entscheide aber, wie es sich objektiv verhalten hätte, hätte eine Zahlungspflicht bestanden. Eine solche wäre gesellschaftlich veranlasst und deswegen als vGA zu qualifizieren gewesen. Der "Verbotsirrtum" des handelnden Geschäftsführers ändere an dieser Rechtsfolge nichts.
In punkto Drohverlustrückstellung musste in der Sache nicht entschieden werden, weil die Revision der GmbH verfristet war.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei aus den in den Praxis-Hinweisen erläuteten Gründen nicht zu gewähren.
Und die Auslegung der sonach verfristeten Revision als unselbstständige Anschlussrevision half der Klägerin nicht weiter. Denn die Anschlussrevision ist kein Rechtsmittel im eigentlichen Sinn, sondern ein prozessualer Antrag innerhalb des vom Gegner eingelegten Rechtsmittels (Hauptrevision). Wenn Gegenstand des angefochtenen Urteils mehrere Verwaltungsakte sind und die Hauptrevision sich nur gegen einen dieser Verwaltungsakte richtet, kann das angefochtene Urteil daher hinsichtlich der anderen Verwaltungsakte mit einer Anschlussrevision nicht mehr angegriffen werden. So aber lagen die Dinge im Urteilsfall.
Hinweis
1. Es handelt sich um eine von immer wieder neuen vGA-Sachverhaltskonstellationen. Die hier in Rede stehende Konstellation war durch die Besonderheit von objektiv-tatsächlich Verwirklichtem und subjektiv Irrtümlichen gekennzeichnet:
Der handelnde Geschäftsführer nahm an, den (bisherigen) Gesellschaftern einer GmbH gegenüber zu einer Leistung verpflichtet zu sein.
Diese Annahme war rechtsirrig: Die Verpflichtung bestand gar nicht. Allerdings: Hätte sie bestanden, wäre ihr der "Makel der vGA""auf die Stirn geschrieben" gewesen; sie wäre – sozusagen virtuell – eindeutig gesellschaftlich veranlasst gewesen.
Tatsächlich wurde denn in der Folgezeit auch infolge dieses Rechtsirrtums geleistet. Als man später bemerkte, dass eine solche Pflicht gar nicht bestand, verlangte man das Geleistete zurück, was auch im Ergebnis gelang.
2. Der BFH wertete die irrige Leistung als vGA. Der "Rechtsirrtum" über die objektive Rechtslage ändere nichts daran, dass der Leistung die beschriebene gesellschaf...