Leitsatz

1. Lesen Bedienstete eines Betriebs gewerblicher Art (Frischwasser-)Messeinrichtungen ab und stellt der Betrieb gewerblicher Art die Ableseergebnisse (Hebedaten) der Trägerkörperschaft zu deren hoheitlichen Zwecken (Abwassergebührenerhebung) zur Verfügung, ohne hierfür ein im Geschäftsverkehr übliches Entgelt zu verlangen, so liegt darin eine vGA (Bestätigung des Senatsurteils vom 10.7.1996, I R 108-109/95, BStBl II 1997, 230).

2. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wird jedenfalls dann nicht auf die (anteilige) Deckung der vollen Selbstkosten für die erbrachte Leistung verzichten, wenn er dies gegenüber dem (gedachten) Vertragspartner bei der Preisvereinbarung durchsetzen kann.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG

 

Sachverhalt

Der Kläger, ein kommunaler Zweckverband, betrieb bis Ende 1995, die Klägerin, eine GmbH, betrieb ab Anfang 1996 ein Verbandswasserwerk. Verbandsmitglieder bzw. Gesellschafter waren zwei Städte (A und B). Diese wurden von dem Wasserwerk mit Frischwasser versorgt.

Die Kläger führten auch das Inkasso der Abwassergebühren für A und B durch. Hierzu wurden die von ihnen erhobenen Daten über den Frischwasserverbrauch der einzelnen Abnehmer verwendet. Gleichzeitig wurden die auf die Inkassoleistungen entfallenden Personal- und Sachkosten sowie die hälftigen Personalkosten für die Ablesung der Wasserzähler den Städten A und B in Rechnung gestellt.

Das FA vertrat unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 10.7.1996, I R 108-109/95 (BStBl II 1997, 230) die Auffassung, dass auch die auf die Wasserzähler entfallenden Abschreibungsbeträge zu den Sachkosten hätten gerechnet und den beiden Städten hälftig in Rechnung gestellt werden müssen. Da dies unterblieben war, nahm das FA in entsprechendem Umfang vGA an.

Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (EFG 2003, 482).

 

Entscheidung

Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück: Das FG werde im 2. Rechtsgang zu prüfen haben, welchen Preis die Kläger gegenüber A und B würden "durchdrücken" können. Dazu bedürfe es einer Aufklärung der Marktmacht der Kläger sowie der Wahrscheinlichkeit, dass A und B geeignete (und kostengünstigere) Alternativen zustünden, an die benötigten Daten zu gelangen.

 

Hinweis

Seinem Sachverhalt nach ist das Urteil sicherlich keine "gängige Kost". Die Entscheidungsgründe enthalten aber für das Recht der vGA Weiterführendes:

1. Bekanntlich ist im Rahmen der vGA der Frage nachzuspüren, ob ein betrieblicher Vorgang gesellschaftlich mitveranlasst ist. Diese Frage stellt sich zuvörderst bei Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern, gleichermaßen aber auch bei Betrieben gewerblicher Art öffentlicher Trägerkörperschaften. Letztere werden schon aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit nicht anders als Gesellschafter behandelt.

2. Bei dieser Veranlassungsprüfung wird, wie ebenfalls sattsam bekannt ist, auf die Denkfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters rekurriert, zu dessen (gedachtem) Verhalten das tatsächliche Verhalten des Einzelfalls typisierend abgeglichen wird. Allerdings: In Einzelfällen wird es kaum ausreichen, sich mit dieser Denkfigur zu begnügen. Der BFH bemüht gelegentlich – gleichsam zur Gegenkontrolle – eine weitere gedachte Vergleichsperson, nämlich den gedachten Geschäftspartner des Geschäftsleiters. Es handelt sich hierbei um den sog. doppelten Fremdvergleich, wie er sich explizit in § 1 Abs. 1 AStG wiederfindet.

Praktisches Beispiel für dieses Vorgehen ist die sog. Nur-Pension: Der BFH unterstellt, dass es einem gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter schon sehr gut "passen" würde, wenn er einem angestellten Geschäftsführer keinen Barlohn zahlen, sondern ihm stattdessen nur eine in die Zukunft verlagerte Pension zusagen muss. Einem gedachten Geschäftsleiter würde dies, so nimmt der BFH an, aber kaum recht sein, wolle er doch sein "täglich Brot" erwirtschaften, was eine Barzuwendung erforderlich sein lasse. Folge: Die Nur-Pension wird i.d.R. steuerlich als vGA behandelt (Urteil vom 17.5.1995, I R 147/93, BStBl II 1996, 204; vom 6.12.1995, I R 88/94, BStBl II 1996, 383).

3. Im Urteilsfall bestand gleichermaßen Anlass für solche Überlegungen. Es ging hier um sog. windfall profits, die ein Betrieb gewerblicher Art gegenüber seiner Trägerkörperschaft "mitnehmen" konnte, indem er diese mit Kosten, welche ihm ohnehin entstanden wären, belastete. Konkret handelte es sich um Abschreibungen für Wasserzähler, die der Betrieb gewerblicher Art, ein Frischwasserlieferant, zum Ablesen der von ihm gelieferten Wassermengen und zum Inkasso gegenüber den Verbrauchern vorrätig halten musste. Die Trägerkörperschaft wiederum entsorgte die Abwässer und benötigte dafür ihrerseits Daten, um auf deren Basis den Abwassereinleitern entsprechend belasten zu können. Es bot sich an, hierfür auf die Daten des Betriebs gewerblicher Art zurückzugreifen. Dieser stellte der Trägerkörperschaft auch unmittelbare Ablesekosten in Rechnung, nicht jedoch die Abschreibungen für die Zähler, worin das FA e...

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