Leitsatz
1. Wird Bauabzugsteuer an das FA abgeführt, nachdem über das Vermögen des leistenden Bauunternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, so kann das FA den abgeführten Betrag nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens vereinnahmen. Vielmehr steht dem Steuergläubiger auch in diesem Fall für seinen Steueranspruch gegenüber dem Bauunternehmer nur die nach Insolvenzrecht zu ermittelnde Verteilungsquote zu.
2. Ist über das Vermögen eines Bauunternehmers das Insolvenzverfahren eröffnet worden, so darf dem Insolvenzverwalter eine Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG regelmäßig nicht versagt werden.
3. Eine Regelungsanordnung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO kann erlassen werden, wenn zwar nicht die Existenz des Antragstellers von der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abhängt, aber die Rechtslage klar und eindeutig für die begehrte Regelung spricht und eine abweichende Beurteilung in einem etwa durchzuführenden Hauptverfahren zweifelsfrei auszuschließen ist. In diesem Fall steht auch der Gesichtspunkt einer Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache dem Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht entgegen.
Normenkette
§ 48b EStG , § 114 FGO
Sachverhalt
Der Antragsteller war Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH. Das Insolvenzverfahren wurde am 1.1.2002 eröffnet, nachdem die GmbH am 1.9.2001 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hatte. Die GmbH hatte Steuerschulden in Höhe von ca. 655 000 Euro, wovon 61 846 Euro auf LSt entfielen.
Der Antragsteller realisierte im Rahmen des Insolvenzverfahrens u.a. rückständige Forderungen der GmbH aus früheren Aufträgen. In diesem Zusammenhang beantragte er die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG. Das FA lehnte den Antrag unter Hinweis auf die Einstellung des Geschäftsbetriebs der GmbH ab. Ein beim FG gestellter Antrag, dem FA im Weg der einstweiligen Anordnung die Erteilung der Freistellungsbescheinigung aufzugeben, hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH sah die Dinge anders: Weil auch das FA gehalten sei, sich den insolvenzrechtlichen Befriedungsmöglichkeiten aller Gläubiger zu beugen, könne es sich nicht mittels der Abzugsteuer einen Vorteil verschaffen. Es gebe in Anbetracht des grundsätzlichen Vorrangs der InsO und der klaren Rechtslage keinen Grund, dem Insolvenzverwalter die Erteilung der vorläufigen Freistellung zu versagen.
Hinweis
In Heft 1/2003 der BFH-PR (Beschluss vom 23.10.2002, I B 86/02, 2) konnten Sie noch lesen, dass es praktisch kaum möglich ist, im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Erteilung einer Freistellungsbescheinigung gem. § 48b EStG von der Bauabzugsteuer zu erlangen. Der BFH hat dazu jüngst recht rigide Anforderungen an die Darlegungsobliegenheiten des Steuerpflichtigen vorgegeben und die Hürden sehr hoch angesetzt. Auf die Lektüre der dortigen Praxis-Hinweise ist zu verweisen. Sie sind in den wenigen Wochen keineswegs als überholt anzusehen, gleichwohl aber einzuschränken: Denn sie gelten gewissermaßen nur für den "Normalfall". Deutliche Erleichterungen werden nunmehr eingeräumt, wenn der leistende Bauunternehmer in Insolvenz gefallen ist und wenn die Freistellung deshalb nicht von ihm, sondern vom Insolvenzverwalter beansprucht wird.
Zwar gilt auch dann der Grundsatz, dass sich das eigentliche Ergebnis des Hauptsacheverfahrens nicht im Weg der einstweiligen Anordnung vorwegnehmen lässt. Solches kommt nur in wenigen, eng umgrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn andernfalls wirklich existenzielle Not droht und sich das wirtschaftliche Überleben ansonsten nicht sichern lässt. Im Insolvenzfall besteht indes die Besonderheit, dass sich auch der Fiskus als Steuergläubiger nach (alleiniger) Maßgabe der InsO in die Schar der anderen Gläubiger bei der Verteilung der Quote einzureihen hat und dass er sich nicht mittels einer Abzugsteuer eine systemwidrige Vorwegbefriedigung verschaffen darf.
Das aber wäre letztlich zu befürchten, wenn die Abzugsteuer vom FA erst einmal vereinnahmt wird. Dann mag dem Insolvenzverwalter zwar die Möglichkeit eröffnet sein, die abgeführte Steuer herauszuverlangen. Ggf. hätte dies aber langwierige Rechtsstreitigkeiten zur Folge, die nicht hinzunehmen sind. Abgesehen von dem kaum jemals gegeben Fall, dass der Insolvenzverwalter in seiner eigenen Person Anlass für ein pflichtwidriges Verhalten gibt, ist diesem deswegen die begehrte Freistellungsbescheinigung vorläufig zu erteilen.
Die Finanzverwaltung wird sonach ihre erst s– ben veröffentlichten Erlasse (z.B. FinMin Saarland vom 3.7.2002, DStZ 2002, 653) "umarbeiten" müssen. Danach soll zu unterscheiden sein, ob die Bauleistungen vor oder nach Insolvenzeröffnung erbracht wurden. Bei nach Eröffnung abzuwickelnden Bauleistungen sei die Freistellung zu erteilen, weil eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht zu befürchten sei. Bei vor Insolvenzeröffnung noch vom Schuldner erbrachten Bauleistungen sei die Freistellung hingegen zu versagen. Es drohe hier eine Gefährdung des Steueranspruchs, da es sich dann nicht um Masseschulden, so...