Kommentar

Im Streitfall hatten die Kläger mehrere, bislang zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzte Grundstücke verkauft und am 2. 11. 1990 an den Käufer übergeben. Der Kaufpreis wurde beim Notar hinterlegt, der die auf den Grundstücken lastenden Kredite ablösen und den Restbetrag an die Kläger auszahlen sollte. Dies zog sich einige Monate hin. In der Zwischenzeit legte der Notar den Kaufpreis zugunsten der Kläger festverzinslich an. Daraus erzielten die Kläger im Streitjahr 1990 Zinseinnahmen, die sie als Einnahmen aus Kapitalvermögen erklärten. Bis zur Ablösung der Grundstückskredite durch den Notar Ende Januar 1991 entstanden den Klägern weitere Schuldzinsen, von denen sie die auf das IV. Quartal 1990 entfallenden Zinsen in voller Höhe als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen geltend machten. Das Finanzamt erkannte lediglich die vom 1. 10. bis 1. 11. 1990 entstandenen Schuldzinsen als Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung an. Der BFH gab jedoch den Klägern recht. In seiner Urteilsbegründung führt der entscheidende Senat aus, daß, sofern ein mit Darlehensmitteln angeschafftes Wirtschaftsgut veräußert und der Veräußerungserlös seinerseits zum Zwecke der Einkünfteerzielung eingesetzt würde, die für das aufrechterhaltene Darlehen gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei der neuen Kapitalanlage berücksichtigungsfähig waren (BFH, Urteil v. 7. 8. 1990, VIII R 67/88, BStBl 1991 II S. 14). Nachdem die Grundstücke veräußert und an den Erwerber übergeben worden seien, hätten die Grundstückskredite eine Zweckänderung erfahren, indem sie nun nicht mehr der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung , sondern zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen gedient hätten. Letzteres folge daraus, daß die Grundstückskredite ab dem genannten Zeitpunkt in einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem an die Stelle der Grundstücke getretenen Veräußerungserlös getreten seien ( Werbungskosten-ABC – Vermietung und Verpachtung ; Darlehen ).

Es könne dahinstehen, ob die Gläubiger der (ehemaligen) Grundstücksdarlehen der Änderung des Darlehenszweck ihre Zustimmung gewahrt hätten oder nicht, da diese nicht mehr zwingendes Erfordernis für die einkommensteuerliche Anerkennung sei.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 01.10.1996, VIII R 68/94

Anmerkung:

Früher forderte die Rechtsprechung des BFH für die einkommensteuerrechtliche Anerkennung der „Umwidmung” einer Darlehensschuld zwingend die Zustimmung oder zumindest das stillschweigende Einverständnis des Darlehensgläubigers (vgl. insbesondere BFH, Urteil v. 7. 8. 1990, VIII R 67/88, BStBl 1991 II S. 14). Diese, von Teilen der Literatur heftig kritisierte Auffassung hat der BFH inzwischen zu recht fallengelassen (vgl. erstmals BFH, Urteil v. 7. 3. 1995, VIII R 9/94, BStBl 1995 II S. 697). Das Besprechungsurteil führt diese Linie fort.

M. E. ist es überhaupt mißverständlich, im Zusammenhang mit Refinanzierungsschulden von „Widmung” und „Umwidmung” zu sprechen. Schulden sind einer isolierten „Widmung” oder „Umwidmung” nicht zugänglich . Das folgt daraus, daß nicht die Schuld als solche der Einkünfteerzielung dient, sondern ihr aktiver Gegenwert (z. B. die Darlehensvaluta). Die Verwendung dieses Gegenwerts determiniert also den Charakter der Schuld und den Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkünfteerzielung. Erfährt dieser Gegenwert eine Zweckänderung, so hat dies automatisch Einfluß auf die Beurteilung der zugrundeliegenden Schuld und die daraus entstehenden Schuldzinsen.

Beispiele:

1. Ein bisher betrieblich genutztes Grundstück wird in das Privatvermögen überführt und künftig zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung eingesetzt. Die Grundstücksschulden wandern automatisch mit ins Privatvermögen; die künftig entstehenden Schuldzinsen sind nicht mehr – wie bisher – Betriebsausgaben, sondern Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

2. Das refinanzierte Grundstück wird verkauft (veräußert), der erzielte Veräußerungserlös verzinslich angelegt. Die Darlehensvaluta steckt nunmehr nicht in dem Grundstück, sondern in dem an die Stelle des Grundstücks getretenen Surrogat, d. h. dem Veräußerungserlös. Die künftig entstehenden Schuldzinsen stellen nicht länger Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen dar.

Aus dem Vorgesagten ergibt sich zugleich, daß eine rein gedankliche „Umwidmung” einer Darlehensschuld nicht möglich ist.

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