Leitsatz
1. Vermögensgegenstände, die Ansprüchen nach dem VermG ausgesetzt sind, sind in der Eröffnungsbilanz zu aktivieren.
2. (Ungewisse) Verbindlichkeiten nach dem VermG sind mit dem Wert der zurückzugebenden Vermögensgegenstände zu passivieren.
3. Nur die innerhalb von vier Monaten nach dem Bilanzstichtag eintretenden wesentlichen Werterhöhungen sind – als wertbegründende Umstände – zu berücksichtigen. Wertbegründende Faktoren, die erst nach Ablauf der Vier-Monatsfrist eintreten, bleiben auch bei der Bewertung von Grund und Boden ( § 9 Abs. 1 Satz 2 DMBilG ) unberücksichtigt.
4. Für die steuerliche Gewinnermittlung gelten die (zwingenden) Vorschriften des DMBilG. FA und FG sind daher nicht verpflichtet, der Besteuerung die vom Steuerpflichtigen in der Handelsbilanz angesetzten und subjektiv für richtig gehaltenen Werte ohne sachliche Überprüfung zugrunde zu legen.
5. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich an die Schätzung von Verkehrswerten durch das FG gebunden. Auch die Wahl der Schätzmethode durch das FG gehört zu den bindenden Tatsachenfeststellungen.
Normenkette
DMBilG § 6, , DMBilG § 7, , DMBilG § 9, , DMBilG § 10, , DMBilG § 36, , DMBilG § 50 , EStG § 5 Abs. 1, , EStG § 6 , FGO § 118 Abs. 2 , ZPO § 418
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.12.1999, I R 91/98
Die Entscheidung befasst sich mit den Werten, mit denen Ost-Berliner Gebäudegrundstücke in der DM-Eröffnungsbilanz anzusetzen sind.
Klägerin war eine durch Umwandlung aus einem volkseigenen Betrieb entstandene GmbH, der im Streitjahr 1990 mehrere Grundstücke im Beitrittsgebiet gehörten. Dazu zählte auch ein Ost-Berliner Grundstück, auf dem die Klägerin 1989 ein Bürogebäude hatte errichten lassen. Nachdem der frühere Eigentümer des Grundstücks aufgrund des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) für den Grund und Boden einen Restitutionsanspruch geltend gemacht hatte und von dem Amt zur Regelung offener Vermögensfragen als Berechtigter anerkannt worden war, verkaufte die Klägerin das Grundstück im Juli 1992 für 20,5 Mio. DM.
Der BFH entschied, dass der Grund und Boden in der Eröffnungsbilanz zum 1.7.1990 – trotz des Bestehens des Rückerstattungsanspruchs – mit seinem Verkehrswert anzusetzen ist. Nach dem – auch für die Eröffnungsbilanz geltenden – Grundsatz der Einzelbewertung ( § 6 Abs. 1 Nr. 2 DMBilG ) ist eine Verrechnung von Vermögensgegenständen und Schulden verboten. Rückerstattungs- und Entschädigungsverbindlichkeiten sind in der Eröffnungsbilanz mit dem Wert aufzunehmen, der dem zurückzugebenden Vermögensgegenstand zukommt. Demnach gleichen sich der Wert des Grundstücks und der Verbindlichkeit nach dem VermG stets aus.
Während der Grund und Boden in der DM-Eröffnungsbilanz mit dem Verkehrswert anzusetzen ist ( § 9 Abs. 1 Satz 1 DMBilG ), sind Gebäude mit ihren Wiederherstellungskosten ( § 7 Abs. 3 DMBilG ) oder mit ihren Wiederbeschaffungskosten unter Berücksichtigung des Wertabschlags für zwischenzeitliche Nutzung, höchstens jedoch mit ihrem Zeitwert oder Verkehrswert anzusetzen. Wesentliche Werterhöhungen, die innerhalb von vier Monaten nach dem Bilanzstichtag eintreten, sind in der Eröffnungsbilanz zu berücksichtigen ( § 7 Abs. 1 Satz 3 DMBilG ). Dem entspricht es, dass wertbegründende Faktoren , die erst nach Ablauf der viermonatigen Frist eintreten, unberücksichtigt bleiben. Nach dem 31.10.1990 eintretende Preissteigerungen konnten somit den Stichtagswert nicht mehr beeinflussen. Die von der Klägerin nach dem 31.10.1990 erzielten Kaufpreise durften deshalb bei der Bewertung der Gebäude und des Grund und Bodens nur insoweit berücksichtigt werden, als sie werterhellend einen Rückschluss auf die am 1.7.1990 bestehenden und für die Bewertung wesentlichen Verhältnisse zulassen.