Leitsatz
1. Die Auswahl der Zerlegungsfaktoren für die Zerlegung bei einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte muss der Eigenart der Betriebsstätte und den Interessen der beteiligten Gemeinden nur in typisierter Form Rechnung tragen.
2. Die Menge des in den jeweiligen Gemeinden abgegebenen Erdgases kann bei einer durch eine Erdgasleitung begründeten mehrgemeindlichen Betriebsstätte ein geeignetes sachliches Zerlegungskriterium sein.
Normenkette
§ 28, § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 30 GewStG, § 40 Abs. 2, § 65 Abs. 1, § 68 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, § 188 AO, Art. 20a, Art. 28 Abs. 2 GG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine Stadt, in deren Ortsgebiet im Streitzeitraum 2012 Erdgas aus dem Ausland in das deutsche Ferngasnetz eingespeist wurde. Die beigeladene Steuerschuldnerin ist die Rechtsnachfolgerin der W-KG, einem Gasversorgungsunternehmen, das Gas einkaufte, beförderte und vermarktete. Die W-KG unterhielt in Deutschland ein Erdgasleitungsnetz, das sich über das Gebiet vieler Kommunen erstreckte. Zu dem Netz gehörten eine Steuerungswarte in A-Stadt, verschiedene Verdichterstationen (u.a. im Gemeindegebiet der Klägerin) und Abgabestellen. Das FA zerlegte den für die W-KG festgesetzten GewSt-Messbetrag auf die Kommunen, in denen sich im Streitzeitraum 2012 eine Betriebsstätte der W-KG befand. Da es sich bei dem Erdgasleitungsnetz um eine mehrgemeindliche Betriebsstätte handelte, wurde der GewSt-Messbetrag in einem ersten Schritt (Hauptzerlegung) nach dem Maßstab der gezahlten Arbeitslöhne auf die verschiedenen Kommunen verteilt und in einem zweiten Schritt (Unterzerlegung) der auf die mehrgemeindliche Betriebsstätte entfallende Anteil seinerseits zu je 50 % auf der Grundlage des Anteils der gezahlten Arbeitslöhne und der Gasabgabemenge auf die an der mehrgemeindlichen Betriebsstätte beteiligten Kommunen verteilt. Die Klägerin nahm nur über die mehrgemeindliche Betriebsstätte an der Zerlegung teil. Hier begehrte sie eine Zerlegung, bei der die Arbeitslöhne zu 75 % und als sachliches Zerlegungskriterium statt der Abgabemenge die Betriebsanlagen, bewertet mit den Anschaffungs- und Herstellungskosten, berücksichtigt werden. Das FG (Hessisches FG, Urteil vom 19.9.2019, 8 K 1734/14, Haufe-Index 16295058) wies die Klage ab.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin zurück. Die Menge des in den jeweiligen Gemeinden abgegebenen Erdgases könne bei einer durch eine Erdgasleitung begründeten mehrgemeindlichen Betriebsstätte ein geeignetes sachliches Zerlegungskriterium sein und erweise sich auch im Streitfall gegenüber dem von der Klägerin begehrten Maßstab des Wertes der Betriebsanlage als nicht weniger geeignet. Auch die Höhe der Zerlegungsquoten für die Unterzerlegung (Arbeitslöhne zu 50 % statt wie begehrt zu 75 %) sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Hinweis
1. Der Steuermessbetrag ist in die auf die einzelnen Gemeinden entfallenden Anteile (Zerlegungsanteile) zu zerlegen, wenn im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes in mehreren Gemeinden unterhalten worden sind (§ 28 Abs. 1 GewStG). Zerlegungsmaßstab war dabei bis 2021 allein das Verhältnis, in dem die Summe der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitslöhnen steht, die an die bei den Betriebsstätten der einzelnen Gemeinden beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind (§ 29 GewStG).
2. Erstreckt sich eine Betriebsstätte auf mehrere Gemeinden (mehrgemeindliche Betriebsstätte), so ist der Steuermessbetrag oder Zerlegungsanteil nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten auf jene Gemeinden zu zerlegen, auf die sich die Betriebsstätte erstreckt (§ 30 GewStG).
3. Sind für einen GewSt-Messbetrag beide Zerlegungsregeln zu beachten, weil ein Betrieb mehrere Betriebsstätten in verschiedenen Gemeinden unterhält und sich darunter auch mehrgemeindliche Betriebsstätten befinden, so ist eine zweistufige Zerlegung vorzunehmen. Im ersten Schritt (Hauptzerlegung) ist die Verteilung des GewSt-Messbetrags auf die verschiedenen Betriebsstätten (bis 2021 allein) nach Maßgabe der Arbeitslöhne vorzunehmen. Soweit eine dieser Betriebsstätten eine mehrgemeindliche Betriebsstätte darstellt, ist in einem weiteren Schritt (Unterzerlegung) der nach der Hauptzerlegung auf diese Betriebsstätte entfallende Zerlegungsanteil auf die an der mehrgemeindlichen Betriebsstätte beteiligten Gemeinden nach der Lage der örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten zu verteilen.
4. Die Bestimmung der durch das Vorhandensein der Betriebsstätte erwachsenden Gemeindelasten ist nur typisiert vorzunehmen. Da es nicht möglich ist, die Belastung der einzelnen Gemeinde aus der gemeinsamen Betriebsstätte genau zu errechnen, sind nur grobe Schätzungen der Gemeindelasten möglich.
5. Das Gesetz enthält keine konkreten Vorgaben hinsichtlich der bei mehrgemein...