Leitsatz
Der Zinsanteil einer Zeitrente aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs ist im Fall der Wahl der Zuflussbesteuerung als nachträgliche Betriebseinnahme gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erfassen.
Normenkette
§ 24 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 16 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war bis zum Jahr 2009 Gesellschafter einer KG, die in jenem Jahr ein Grundstück veräußerte. In Bezug auf den auf den Kläger entfallenden Gewinnanteil wurde die Verrentung des Kaufpreises in Form von 123 monatlichen Zahlungen vereinbart. Diese dienten laut Kaufvertrag der Altersversorgung des Klägers. Das Feststellungs-FA sah die Grundstücksveräußerung und die anschließende Anwachsung aufgrund des Ausscheidens der Komplementär-GmbH aus der KG letztendlich als einheitlichen Vorgang an und rechnete dem Kläger – bestandskräftig – einen entsprechenden Veräußerungsgewinn zu. Der Kläger wählte 2009 die Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach dem Zuflussprinzip. Das FA veranlagte entsprechend. 2011 beantragte der Kläger erstmals, den in den Zahlungen enthaltenen Zinsanteil nicht mehr als Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu behandeln und den Abgeltungsteuersatz anzuwenden. Das FA lehnte dies ab. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Hessisches FG, Urteil vom 14.7.2016, 12 K 1197/15, Haufe-Index 10969757).
Entscheidung
Der BFH hat die Revision aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurückgewiesen. Dem Kläger seien die vereinbarten Zinsen im Streitjahr als nachträgliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG zugeflossen.
Hinweis
1. Veräußert ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb gegen wiederkehrende Bezüge, insbesondere gegen eine Leibrente, hat er nach R 16 Abs. 11 EStR ein Wahlrecht: Er kann den bei der Veräußerung entstandenen Gewinn (unter Anwendung der §§ 16, 34 EStG) sofort versteuern. Er kann aber auch die Rentenzahlungen als nachträgliche Betriebseinnahmen gemäß § 15 EStG i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG behandeln.
2. Die BFH-Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass es sich bei der Sofortbesteuerung um den gesetzlichen Normalfall handelt und die Zuflussbesteuerung "eine auf Billigkeitserwägungen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beruhende Ausnahmeregelung" darstellt. Daraus folgt, dass der Gewinn aus einer Betriebsveräußerung auch dann, wenn der Veräußerungserlös in Form wiederkehrender Bezüge gezahlt wird, grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Veräußerung zu versteuern ist; zu einer Zuflussbesteuerung kann es nur kommen, wenn diese vom Steuerpflichtigen ausdrücklich gewählt wird.
3. Das Wahlrecht besteht auch, wenn der Kaufpreis eines Gewerbebetriebs aus langfristigen Ratenzahlungen besteht, bei denen der vereinbarte Zahlungszeitraum zehn Jahre übersteigt (R 16 Abs. 11 EStH) und die Ausgestaltung des Vertrags die Absicht erkennen lässt, dass diese Zahlungsweise hauptsächlich im Interesse des Veräußerers vereinbart wurde, um dessen Versorgung zu sichern.
4. Bei der Zuflussbesteuerung stellt der in den Zahlungen enthaltene Zinsanteil ebenso wie der Tilgungsanteil nachträgliche Betriebseinnahmen gemäß § 24 Nr. 2 EStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar. Die Forderung auf Zahlung der wiederkehrenden Bezüge bleibt nämlich bei Wahl der Zuflussbesteuerung eines Veräußerungsgewinns auch nach dem Ende der gewerblichen Tätigkeit weiterhin Teil des (Rest-)Betriebsvermögens. Denn es kommt – anders als im Fall der Sofortversteuerung – nicht zur Besteuerung der stillen Reserven im Veräußerungszeitpunkt. Es kommt vielmehr zu einer ratierlichen Aufdeckung und Versteuerung der stillen Reserven, sobald das Kapitalkonto überschritten wurde.
Die Kaufpreisforderung, die ja auch die stillen Reserven des Unternehmens umfasst, muss daher weiterhin (Rest-)Betriebsvermögen bzw. betrieblich verhaftet bleiben. Allein aufgrund der Veräußerung des Betriebs im Ganzen wird sie nicht in das Privatvermögen überführt. Deswegen kann der Zufluss des in den Kaufpreisanteilen enthaltenen Zinsanteils nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und damit zur Anwendung des Abgeltungsteuersatzes gemäß § 32d EStG führen, da dies die Subsidiarität dieser Einkünfte (vgl. § 20 Abs. 8 Satz 1 EStG) verbietet.
5. Der BFH hat mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen, ob eine Aufteilung der wiederkehrenden Leistungen in einen Zins- und Tilgungsanteil, wie sie die Finanzverwaltung in R 16 Abs. 11 Satz 7 EStR vorsieht, geboten ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 5.11.2019 – X R 12/17