Leitsatz
1. Gewährt ein Arbeitnehmer dem Arbeitgeber ein Darlehen, das mit einem Wandlungsrecht zum Bezug von Aktien ausgestattet ist, wird ein Zufluss von Arbeitslohn nicht bereits durch die Hingabe des Darlehens begründet.
2. Im Fall der Ausübung des Wandlungsrechts durch den Arbeitnehmer fließt diesem ein geldwerter Vorteil aus dem Bezug von Aktien zu einem unter dem Kurswert liegenden Übernahmepreis grundsätzlich erst dann zu, wenn dem Arbeitnehmer durch Erfüllung des Anspruchs das wirtschaftliche Eigentum an den Aktien verschafft wird.
3. Überträgt der Arbeitnehmer das Darlehen nebst Wandlungsrecht gegen Entgelt auf einen Dritten, fließt dem Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil im Zeitpunkt der Übertragung zu.
4. Der geldwerte Vorteil bemisst sich im Fall der Ausübung des Wandlungsrechts aus der Differenz zwischen dem Börsenpreis der Aktien an dem Tag, an dem der Arbeitnehmer die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Aktien erlangt, und den Erwerbsaufwendungen.
Normenkette
§ 8 Abs. 1 und 2 EStG , § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war Angestellter einer AG. Er schloss im Jahr 1997 mit der AG einen Darlehensvertrag ab. Das Darlehen war mit einem Wandlungsrecht ausgestattet; der Zinssatz betrug 2 %. Der Kläger war berechtigt, Darlehensteilrechte nach einer Haltefrist in junge Aktien zu einem bestimmten Preis zu wandeln. Die Rechte aus dem Darlehen konnten nicht abgetreten werden.
Ende 1997 schlossen die AG und der Kläger eine Zusatzvereinbarung. Danach war der Kläger berechtigt, das Darlehen (nebst Wandlungsrecht) an Dritte abzutreten.
1999 verkaufte der Kläger einen Darlehens-Teilbetrag an die X-Bank und erlöste hierbei rd. 615.000 DM.
Ferner machte der Kläger Ende 1999 von seinem Wandlungsrecht Gebrauch und erwarb hinsichtlich des restlichen Darlehensteilbetrags 30.000 junge Aktien der AG.
Das FA berücksichtigte im Rahmen der ESt-Veranlagung des Klägers die Vorteile aus der Veräußerung des Darlehensteilbetrags i.H.v. rd. 615.000 DM und aus der Wandlung i.H.v. rd. 2,7 Mio. DM. Die Klage hatte nur insofern Erfolg, als das FG den ermäßigten Steuersatz nach § 34 EStG gewährte.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung. Es verwies die Sache indessen an das FG zurück, da dieses nicht festgestellt hatte, an welchem Tag der Kläger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Aktien erlangt hatte.
Für die Berechnung des geldwerten Vorteils sei der Börsenkurs an dem Tag maßgebend, an dem die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die aufgrund der Ausübung des Wandlungsrechts zustehenden jungen Aktien erworben wird. Angesichts der zahlreichen Schritte, die zwischen einer Ausübung des Wandlungsrechts und dem Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über die jungen Aktien erforderlich sind, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Tag der Ausübung des Wandlungsrechts mit dem Tag der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht übereinstimmt.
Hinweis
1. Die Besprechungsentscheidung entspricht in weiten Teilen dem Urteil vom 23.6.2005, VI R 124/99, BFH-PR 2005, 367. Hierauf wird Bezug genommen.
2. Wesentlich Neues liegt dem Leitsatz Nr. 3 zugrunde. Denn der Kläger hatte einen Teilbetrag eines nicht handelbaren Wandeldarlehens – nach Abschluss einer Zusatzvereinbarung mit der AG und deren Zustimmung – an einen Dritten (Bank) verkauft.
Mit dem Abschluss der Zusatzvereinbarung zum Darlehensvertrag, durch die die Veräußerung des Darlehensteils nebst Wandlungsrecht erst ermöglicht wurde, und mit dem Abschluss des Kaufvertrags sowie mit der Übertragung des Wandeldarlehensteils auf die Bank verwirklichte sich die zuvor nur latent vorhanden gewesene Chance des Klägers auf einen preisgünstigen Vermögenserwerb dergestalt, dass ihr selbstständiger Geldwert zukam. Der wirtschaftliche Gehalt des Darlehensteils nebst Wandlungsrechts konkretisierte sich hierdurch zu einem geldwerten Vermögensvorteil. Dieser geldwerte Vorteil, den der Kläger aufgrund der Übertragung des Darlehensteilbetrags nebst Wandlungsrecht erzielte, war – ebenso wie der Bezug der jungen Aktien nach Wandlung – bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zu erfassen.
3. Ebenso wie im Urteil vom 23.6.2005, VI R 124/99, BFH-PR 2005, 367 verwies der BFH auch hier darauf, dass sich aus der Vorschrift des § 19a EStG kein anderes Ergebnis ergibt. Diese Vorschrift erfasst den Fall, dass bereits die Vermögensbeteiligung als solche (auch eine Wandelschuldverschreibung, aber nicht ein Wandeldarlehen) verbilligt eingeräumt wird. Die Vorschrift regelt darüber hinaus nicht, zu welchem Zeitpunkt die jeweilige (begünstigte) Vermögensbeteiligung zufließt. Für den Zufluss gelten auch im Anwendungsbereich des § 19a EStG die allgemeinen Regeln in § 11 Abs. 1 Satz 3, § 38a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 23.6.2005, VI R 10/03