Ass. jur. Viola C. Didier
Leitsatz
Das FG Köln hatte sich mit der Ermittlung der Einkunftsgrenze bei fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht im Fall der Zusammenveranlagung zu befassen.
Sachverhalt
Ein niederländischer Staatsangehöriger lebt mit seiner Frau, die ebenfalls niederländische Staatsangehörige ist und kein Einkommen hat, in den Niederlanden. Er erzielte Einkünfte von über 80.000 EUR aus nichtselbstständiger Tätigkeit als Geschäftsführer einer GmbH in Deutschland. Ferner erzielte er Einkünfte i. H. v. 15.000 EUR aus nichtselbstständiger Tätigkeit in den Niederlanden. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung beantragte er, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt zu werden und insbesondere die Zusammenveranlagung. Das Finanzamt lehnte die Zusammenveranlagung ab und führte eine Einzelveranlagung für beschränkt Steuerpflichtige durch. Eine Zusammenveranlagung nach § 1 Abs. 3 i. V. m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG komme nicht in Betracht, da der Ehemann nicht die Einkommensgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG erfülle. Die Einkünfte des Ehemanns unterliegen nicht mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer und die ausländischen Einkünfte sind höher als 8.004 EUR.
Entscheidung
Die Richter hegten ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids, soweit das Finanzamt die Zusammenveranlagung abgelehnt hat. Zweifelhaft sei, ob die so genannten Wesentlichkeitsgrenzen des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG im Streitfall Anwendung finden oder die erweiterten nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG. Gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG ist bei der Anwendung des § 1 Abs. 3 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln. Würde im vorliegenden Fall der Grundfreibetrag verdoppelt, so könnte der Antragsteller als unbeschränkt steuerpflichtig angesehen werden mit der Folge einer Zusammenveranlagung, da die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den doppelten Grundfreibetrag (16.008 EUR) nicht übersteigen.
Im Hauptsachverfahren müsste zudem geklärt werden, inwieweit Europarechtliche Bedenken bestehen, wenn eine Zusammenveranlagung nicht gewährt wird, obwohl der Betrag der unschädlichen Auslandseinkünfte den doppelten Grundfreibetrag nicht übersteigt. Bedenke man, so das Gericht, dass § 1a EStG geschaffen wurde, um den Anforderungen des EuGH (Urteil v. 14.2.1995, C-279/93) gerecht zu werden, so könnte die Vorschrift europarechtskonform ausgelegt auch als Ergänzung des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG verstanden werden, soweit es um die familienbezogene steuerentlastende Vorschrift des § 26 EStG gehe.
Eine endgültige Entscheidung über die Unsicherheiten bei der Auslegung der § 1 Abs. 3 EStG i. V. m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG im vorliegenden Fall muss bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen überschlägigen Betrachtung dem Verfahren in der Hauptsache vorbehalten bleiben, entschieden die Richter.
Hinweis
Ernstliche Zweifel i. S. v. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen u. a. dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen bewirken (BFH, Beschluss v. 10.2.1967, III B 9/66, BFHE 87 S. 447, BStBl 1967 III S. 182, seitdem ständige Rechtsprechung).
Link zur Entscheidung
FG Köln, Beschluss vom 04.07.2013, 11 V 1596/13