Leitsatz
1. Einem Nutzungsberechtigten kann nach Maßgabe des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ausnahmsweise das wirtschaftliche Eigentum an Filmrechten zuzurechnen sein. Dies kommt allerdings nur in Betracht, wenn der zivilrechtliche Eigentümer infolge der vertraglichen Vereinbarungen während der gesamten voraussichtlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von deren Substanz und Ertrag wirtschaftlich ausgeschlossen ist. Hieran fehlt es z.B., wenn der zivilrechtliche Eigentümer durch erfolgsabhängige Vergütungen während der gesamten Vertragslaufzeit weiterhin an Wertsteigerungen der Filmrechte beteiligt ist.
2. Die für Leasingverträge entwickelten Grundsätze zur Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums können nicht uneingeschränkt auf die Nutzungsüberlassung von Filmrechten übertragen werden. Dies folgt insbesondere daraus, dass eine hinlänglich verlässliche Einschätzung der Wertentwicklung von Filmrechten im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertriebsvertrags regelmäßig nicht möglich ist.
Normenkette
§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO, § 5 Abs. 1 EStG, § 240, § 242, § 246, § 252 HGB, § 7 GewStG, § 76 FGO, § 94 UrhG
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erwarb 2006 die Stoffrechte an einem Film und beauftragte eine Produktionsdienstleisterin mit der Herstellung des Films. Im Dezember 2006 schloss sie u.a. einen sog. Filmvertriebsvertrag, mit dem sie als Eigentümerin und Lizenzgeberin der F als Lizenznehmerin die Verwertungsrechte an dem Film übertrug. Nach dem Vertrag hat F an die Klägerin für die Dauer des Vertrags jährlich sowohl fixe Zahlungen als auch variable Beteiligungs-Lizenzgebühren zu erbringen.
Im Zusammenhang mit dem Auslaufen des Vertrags enthält dieser Vertrag verschiedene Endschaftsregelungen, die sich im Wesentlichen wie folgt zusammenfassen lassen: Zum einen kann der Vertrag im beidseitigen Einvernehmen verlängert werden (Verlängerungsoption). Kommt es nicht dazu, steht F die unwiderrufliche Option zu, von der Klägerin das vollumfängliche Eigentum an den Filmrechten zu einem nach Maßgabe näher bezeichneter Parameter zu ermittelnden Kaufpreis zu erwerben (Kaufoption). Kommt es auch dazu nicht, kann die Klägerin von F die Gewährung eines zinslosen Darlehens verlangen (Darlehensoption); für diesen Fall ist die Klägerin verpflichtet, "den Film zu vermarkten oder anderweitig zu verwerten, um den Betrag des Darlehens an den Verleihunternehmer zurückzuzahlen …". Wird keine der vorgenannten Optionen ausgeübt, kann die Klägerin nach Beendigung der Vertragslaufzeit frei entscheiden, ob sie eine weitere Vermarktung oder anderweitige Verwertung des Films vornimmt. Erzielt sie weitere Einnahmen, stehen diese allein ihr zu.
Eine für 2006 bis 2008 durchgeführte Außenprüfung hatte nicht zu einer Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15b EStG geführt. Für die Jahre 2006 und 2007 waren – bestandskräftig – hohe Verluste festgestellt worden; die Feststellungsbescheide ab 2008 wiesen ausschließlich Gewinne aus.
Die bei der Klägerin für die Jahre 2009 und 2010 (Streitjahre) durchgeführte Außenprüfung kam zu dem Ergebnis, die Filmvertriebsvereinbarung habe zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Filmrechten auf F geführt. Die garantierten Zahlungsansprüche der Klägerin seien hinreichend sicher. Zum ersten offenen Bilanzstichtag (31.12.2009) sei eine abgezinste Forderung zu aktivieren. In den Folgejahren sei der Zinsanteil aus dem erhaltenen Betrag herauszurechnen und der Gewinn entsprechend zu mindern.
Das FG (FG Köln, Urteil vom 11.9.2019, 3 K 2193/17, Haufe-Index 13932266, EFG 2020, 1205) gab der Klage statt. Das FA sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Filmvertriebsvertrag zu einem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den Filmrechten auf F geführt habe. Die Klägerin habe folglich im Streitjahr keine abgezinste Kaufpreisforderung zu aktivieren. Sie habe auch keinen Anspruch auf eine zeitanteilig auf die Laufzeit des Vertriebsvertrags aufzuteilende Schlusszahlung zu aktivieren, da eine solche nicht vereinbart sei.
Entscheidung
Die Revision des FA blieb erfolglos. Der BFH entschied, die Würdigung des FG, F könne die Klägerin auf der Grundlage des Filmvertriebsvertrags nicht für die gesamte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Filmrechte wirtschaftlich aus ihrer Stellung als Eigentümerin verdrängen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Eine sich mit Ablauf der Vertragslaufzeit ergebende Wertlosigkeit der Filmrechte könne in Anbetracht der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer der Filmrechte von 50 Jahren auch bei einer Vertragslaufzeit von – wie im Streitfall – 42 Jahren nicht angenommen werden. Da die Klägerin neben den fest vereinbarten Lizenzentgelten auch erfolgsabhängige Vergütungen erhalten habe, sei die während der Vertragslaufzeit mögliche Verwertung der Filmrechte durch F auch nicht unter Ausschluss der Klägerin erfolgt. Die Endschaftsregelungen stünden dem nicht entgegen.
Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden sei die Annahme des FG, die Kaufoption der F sei unter Berücksichtigung der Gegebenheiten d...