Leitsatz

1. Die gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 EStG vorgesehene gesonderte Feststellung des gemäß § 15b Abs. 1 EStG nicht ausgleichsfähigen Verlustes ist auch für Einzelinvestitionen durchzuführen.

2. Die gesonderte Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes umfasst bei Einzelinvestitionen verschiedene Elemente. Ist dem Feststellungsbescheid nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass (auch) ein nicht ausgleichsfähiger Verlust gemäß § 15b Abs. 1 EStG festgestellt wird, fehlt es an einer für die Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahres bindenden Feststellung.

 

Normenkette

§ 15b Abs. 1, Abs. 4 EStG, § 179, § 182 AO

 

Sachverhalt

Der Kläger hatte mit der Einkommensteuererklärung 2006 Werbungskosten zu inländischen Kapitalerträgen in Höhe von rund 14,9 Mio. EUR geltend gemacht. Der Betrag resultiert aus vorab gezahlten Zinsen sowie einem Disagio für ein Darlehen, das der Kläger zum Erwerb einer Schuldverschreibung bei einer Bank aufgenommen hatte. Das FA berücksichtigte die Werbungskosten unter Verweis auf das Vorliegen eines sog. Steuerstundungsmodells i.S.v. § 15b i.V.m. § 20 Abs. 2b EStG nicht.

Es erließ einen mit "Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum Schluss des Veranlagungszeitraums" überschriebenen und unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid. Dieser stellte unter "A. Feststellungen" den verbleibenden Verlustvortrag nach § 15b Abs. 4 EStG für die Einkunftsart Kapitalvermögen, "Asset Linked Note" auf 14.895.445 EUR fest. Unter "B. Feststellungsgrundlagen" wurde ein "nicht ausgeglichener Verlustvortrag zum 31.12.2006" in Höhe von 14.895.445 EUR ermittelt, und zwar ausgehend von nicht ausgeglichenen negativen Einkünften im Jahr 2006 in Höhe von 14.895.445 EUR unter "Hinzurechnung" eines festgestellten verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12. des Vorjahres (§ 15b Abs. 4 EStG) in Höhe von 0 EUR sowie unter "Abzug" der im Jahr 2006 verrechneten Einkünfte ("Verlustvortrag") in Höhe von 0 EUR. Unter "D. Wichtige Hinweise" wurde erläutert, dass der Feststellungsbescheid Grundlagenbescheid sowohl des Einkommensteuerbescheides des darauf folgenden Jahres als auch eines zum Schluss des darauf folgenden Jahres ergehenden Bescheides über die verbleibenden Verlustvorträge i.S.d. §§ 2b, 15 Abs. 4 EStG und/oder § 15b EStG (Folgebescheid) sei. Dieser Feststellungsbescheid wurde bestandskräftig. Die gegen den Einkommensteuerbescheid erhobene Klage wurde vom FG abgewiesen (FG Münster, Urteil vom 10.1.2013, 5 K 4513/09 E, Haufe-Index 3740419, EFG 2013, 1014).

 

Entscheidung

Der BFH hat der Revision des Klägers aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen stattgegeben, das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.

 

Hinweis

1. Der Gesetzgeber hat mit § 15b EStG eine Vorschrift eingeführt, die der Verlustverrechnung aus sog. Steuerstundungsmodellen Einhalt gebieten soll. Unter welchen Voraussetzungen ein solches Modell vorliegt, ist hoch umstritten. Bisher liegt lediglich eine Entscheidung des BFH vor, die das Vorliegen eines Steuerstundungsmodells verneint hat (BFH, Urteil vom 6.2.2014, IV R 59/10, BFH/NV 2014, 774, BFH/PR 2014, 184).

2. Im vorliegenden Besprechungsurteil wandte sich der Kläger mit seiner Anfechtungsklage gegen den Einkommensteuerbescheid und gegen die Feststellung eines Steuerstundungsmodells nach § 15b EStG. An sich hat eine solche Klage keine Aussicht auf Erfolg, da die Feststellung des nicht ausgleichsfähigen Verlustes gemäß § 15b Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 EStG in einem Feststellungsbescheid für die Einkommensteuerfestsetzung nach §§ 175 Abs. 1 Nr. 1, 171 Abs. 10 AO bindend ist. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige nicht Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt.

3. Im vorliegenden Fall hat der BFH jedoch den Feststellungsbescheid über den nicht ausgleichsfähigen Verlust wegen eines Steuerstundungsmodells nach § 15b Abs. 4 EStG als nicht ausreichend bestimmt angesehen. Dies mag nicht sonderlich zu verwundern, da die Finanzverwaltung augenscheinlich keine dem Gesetz entsprechenden Bescheidvordrucke für die Feststellung nach § 15b Abs. 4 EStG verwendet. Da der Feststellungsbescheid danach keine Bindungswirkung entfalten konnte, hatte die Klage gegen die Einkommensteuerfestsetzung Erfolg. In der Entscheidung hat sich der BFH in einem obiter dictum festgelegt, dass die Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15b EStG grundsätzlich auch auf Investitionen von Einzelpersonen mit modellhaftem Charakter anzuwenden sei. Jedoch war das Vorliegen der hierfür notwendigen Voraussetzungen im Feststellungsbescheid nicht ausreichend dokumentiert.

4. Nach Auffassung des BFH erfordert eine die Einkommensteuerfestsetzung nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO bindende Feststellung nach § 15b Abs. 4 EStG auch bei einer Einzelinvestition, dass

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