Leitsatz
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten bei der Definition der arztähnlichen Berufe und der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die zu diesen Berufen gehören, für die Zwecke der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung ein Ermessen einräumt. Bei der Ausübung dieses Ermessens haben die Mitgliedstaaten jedoch das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel, zu gewährleisten, dass die Befreiung nur für Leistungen gilt, die von Personen erbracht werden, die über die erforderlichen beruflichen Qualifikationen verfügen, und den Grundsatz der steuerlichen Neutralität zu beachten.
Eine nationale Regelung, die den Beruf des Psychotherapeuten von der Definition der arztähnlichen Berufe ausnimmt, verstößt nur insoweit gegen dieses Ziel und diesen Grundsatz, als die psychotherapeutischen Behandlungen – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – von der MwSt. befreit wären, wenn sie von Psychiatern, Psychologen oder Angehörigen anderer ärztlicher oder arztähnlicher Berufe durchgeführt würden, obwohl sie, von Psychotherapeuten erbracht, unter Berücksichtigung deren beruflicher Qualifikationen als qualitativ gleichwertig angesehen werden können.
Eine nationale Regelung, die bestimmte, von Physiotherapeuten ausgeübte spezifische Heiltätigkeiten im Bereich der Humanmedizin, wie Behandlungen mittels Störfelddiagnostik, von der Definition dieses arztähnlichen Berufs ausnimmt, verstößt nur insoweit gegen dieses Ziel und diesen Grundsatz, als diese Behandlungen – was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist – von der MwSt. befreit wären, wenn sie von Ärzten oder Zahnärzten erbracht würden, obwohl sie, von Physiotherapeuten durchgeführt, unter Berücksichtigung deren beruflicher Qualifikationen als qualitativ gleichwertig angesehen werden können.
Normenkette
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL (vgl. § Nr. 14 UStG)
Sachverhalt
40 % der Patienten von Herrn S. sollen von Medizinern überwiesen worden sein. Die meisten Versicherungsgesellschaften – jedenfalls bei Bestehen einer Zusatzversicherung für "alternative Behandlungsmethoden" – sollen die Behandlungskosten erstattet haben.
Das niederländische FA hielt sowohl S. wie auch van der H. für mehrwertsteuerpflichtig, bei S., weil die Störfelddiagnostik nicht zur Ausbildung des als arztähnlich definierten Berufs gehörte, und bei van der H., weil Psychotherapeuten nicht in der Liste der gesetzlich definierten arztähnlichen Berufe aufgeführt waren.
Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH ist – sachverhaltsbedingt – auf die Besonderheiten des niederländischen Rechts zugeschnitten.
Die BFH-Rechtsprechung entspricht im Wesentlichen den Kriterien.
Hinweis
1. In den Niederlanden sind – anders als in § 4 Nr. 14 UStG – die arztähnlichen Berufe ausdrücklich definiert; Psychotherapeuten waren – anders als Physiotherapeuten – in dieser Regelung (noch) nicht aufgeführt; sie mussten sich aber nach einer anderen Regelung registrieren lassen und hierfür bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Fraglich war die Steuerfreiheit von – als solche nicht streitigen – Heilbehandlungen bei
a) einer Person mit einem Ausbildungsberuf, der im fraglichen Zeitpunkt noch nicht zu den gesetzlich definierten arztähnlichen Berufen gehörte und
b) die zwar von einem "definierten" Berufsträger ausgeübt wurden, aber nicht in das im nationalen Recht definierte Fachgebiet dieses Berufs fielen, denn "Störfelddiagnostik" war in den Ausbildungsregelungen für Physiotherapeuten nicht vorgesehen.
2. Aus dem Wortlaut des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL ergibt sich eindeutig, dass die 6. EG-RL den Mitgliedstaaten ein Ermessen einräumt, das sich nicht nur auf die Festlegung der für die Ausübung dieser Berufe erforderlichen Qualifikationen, sondern auch auf die Festlegung der spezifischen Heiltätigkeiten im Bereich der Humanmedizin, die zu diesen Berufen gehören (Rd.Nr. 30). Die verschiedenen von den Behandelnden erworbenen Qualifikationen bereiten diese nicht zwangsläufig darauf vor, alle Arten von Behandlungen durchzuführen. Ein Mitgliedstaat darf deshalb bei Ausübung seines Ermessens davon ausgehen, dass die Definition der arztähnlichen Berufe unvollständig wäre, wenn sie lediglich allgemeine Anforderungen an die Qualifikation der Behandelnden stellen würde, ohne festzulegen, für welche Behandlungen diese im Rahmen ihres jeweiligen Berufs qualifiziert sind.
3. Zu den Ermessensgrenzen: Die Mitgliedstaaten dürfen einen Beruf – auch wenn dieser Beruf hinsichtlich bestimmter Aspekte im nationalen Recht besonders geregelt ist – als nicht arztähnlich von der Mehrwertsteuerbefreiung ausnehmen.
Die Befreiung darf den Personen vorbehalten werden, die die in den nationalen Rechtsvorschriften über die arztähnlichen Berufe genannten beruflichen Qualifikationen besitzen.
Sie darf auf die Heiltätigkeiten beschränkt werden, für die der Steuerpflichtige nach den spezifischen berufsbezogenen Rechtsvorschriften die betreffenden Qualifikationen erworben hat (Rd.-Nr. 33). Die nation...