Leitsatz
1. Ein "Berufspokerspieler" erbringt keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält. Zwischen der (bloßen) Teilnahme am Pokerspiel und dem im Erfolgsfall erhaltenen Preisgeld oder Gewinn fehlt der für einen Leistungsaustausch erforderliche unmittelbare Zusammenhang.
2. Die Teilnahme an einem Pokerspiel ist jedoch eine im Rahmen eines Leistungsaustausches gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung, wenn der Veranstalter für sie eine von der Platzierung unabhängige Vergütung zahlt. In einem solchen Fall ist die vom Veranstalter geleistete Zahlung die tatsächliche Gegenleistung für die vom Spieler erbrachte Dienstleistung, an dem Pokerspiel teilzunehmen.
Normenkette
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c EGRL 112/2006 (= MwStSystRL), Art. 2 Nr. 1 6. EG-RL (= EWGRL 388/77)
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) traf im Juni 2005 mit seinem damaligen Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Gewährung unbezahlten Urlaubs von August 2005 bis Januar 2007. Nach Ablauf dieser Vereinbarung gab der Kläger seine nichtselbstständige Tätigkeit auf.
Der Kläger nahm u.a. in den Streitjahren (2004 bis 2006) an Pokerturnieren, an sog. Cash-Games und an Internet-Pokerveranstaltungen teil. Umsatzsteuererklärungen reichte er nicht ein.
Das FA nahm nach einer Außenprüfung an, der Kläger sei als Berufspokerspieler Unternehmer i.S.d. § 2 UStG. Er erließ am 8.12.2009 gegen den Kläger Umsatzsteuer-Jahresbescheide für 2006 und 2007.
Das FG (FG Münster, Urteil vom 15.7.2014, 15 K 798/11 U, Haufe-Index 7250704, EFG 2014, 1823) wies die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ab. Es führte u.a. aus, der Kläger habe mit der Tätigkeit als um Preisgelder spielender Pokerspieler umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen ausgeführt.
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte – nach einer Divergenzanfrage des XI. Senats des BFH beim V. Senat des BFH – Erfolg.
Eine Abweichung vom BFH-Urteil vom 26.8.1993, V R 20/91 (BStBl II 94, 54) liegt nicht vor, nachdem der V. Senat des BFH eine solche auf Frage des XI. Senats des BFH verneint hat.
Die frühere Rechtsprechung des BFH zu Pferderennen (BFH, Urteil vom 9.3.1972, V R 32/69, BStBl II 72, 556) stand – entgegen der Auffassung des FA – ebenfalls nicht entgegen; denn sie ist zur Rechtslage vor Harmonisierung ergangen und überdies überholt.
Hinweis
1. Der X. Senat des BFH hatte im Jahr 2012 (BFH, Urteil vom 16.9.2015, X R 43/12, BFH/NV 2016, 124, BFH/PR 2016, 34, BStBl II 2016, 48) entschieden, dass die Teilnahme an Turnierpokerspielen als Gewerbebetrieb i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG zu qualifizieren sein kann. Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG-Beschluss vom 16.8.2017, Az. 2 BvR 2387/15). Das (FG Münster, Urteil vom 18.7.2016, 14 K 1370/12 E,G, EFG 2016, 1684) hat diese Bewertung auf sog. "cash games" übertragen. Dagegen hat der Steuerpflichtige Revision eingelegt (Az. des BFH: X R 34/16).
2. Aber nicht nur beim nicht unionsweit harmonisierten Einkommensteuerrecht wirft die Besteuerung von Pokerspielen Rechtsfragen auf, sondern auch im Bereich des harmonisierten Umsatzsteuerrechts.
a) Der BFH hatte im Jahr 1993 (BFH, Urteil vom 26.8.1993, V R 20/91, BStBl II 1994, 54) angenommen, ein Kartenspieler, der mehrere Jahre lang in einem Spielsalon mit einem festen Spielerstamm täglich Kartenspiel gegen Geld betreibt, sei als Berufskartenspieler unternehmerisch tätig. Die beim Kartenspiel erbrachte sonstige Leistung bestehe in der Bereitschaft, nach den Spielregeln unter Übernahme eines Wagnisses mit anderen gegen Geld zu spielen. Beim Kartenspiel mit mehreren Mitspielern erbringe der einzelne Spieler die Leistung gegenüber den Mitspielern. Die Leistung erfolge gegen Entgelt, weil der Berufskartenspieler aufgrund seiner durch jahrelange Spielpraxis vermittelten Überlegenheit gegenüber den Mitspielern konkret und ernsthaft damit rechnen konnte, Spielgewinne zu kassieren.
b) Dagegen entschied der EuGH im Jahr 2016 (EuGH, Urteil vom 10.11.2016, C-432/15, Bastova, EU:C:2016:855, UR 2016, 913), dass die Überlassung eines Pferdes durch seinen Eigentümer, der mehrwertsteuerpflichtig ist, an den Veranstalter eines Pferderennens zwecks Teilnahme des Pferdes an diesem Rennen keine gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung darstellt, wenn für sie weder ein Antrittsgeld noch eine andere unmittelbare Vergütung gezahlt wird und nur die Eigentümer der Pferde bei einer erfolgreichen Platzierung in dem Rennen ein – sei es auch ein im Voraus festgelegtes – Preisgeld erhalten. Der EuGH ist damit der Auffassung des Generalanwalts Nils Wahl nicht gefolgt, der in seinen Schlussanträgen vom 14.6.2016, C-432/15 (EU:C:2016:438, Rz. 36 ff.) auch insoweit eine Leistung gegen Entgelt bejaht hatte.
aa) Grund hierfür soll sein, dass das Preisgeld nicht für die Überlassung des Pferdes an den Rennver...