Leitsatz
1. Bei einem Wechsel der Gesellschafter einer Personengesellschaft ist der Ertrag aus einem Forderungsverzicht der Gesellschaftsgläubiger dem Neugesellschafter zuzurechnen, wenn nach den im konkreten Fall getroffenen Vereinbarungen der Neugesellschafter die betreffenden Verbindlichkeiten anstelle des Altgesellschafters wirtschaftlich tragen sollte.
2. Ist vereinbart, dass der Neugesellschafter die betreffenden Verbindlichkeiten nicht wirtschaftlich tragen soll, so ist der entsprechende Ertrag dem Altgesellschafter zuzurechnen, der durch den Erlass der Schulden von seiner Haftung entbunden wird.
Normenkette
§ 3 Nr. 66 a.F., § 4 Abs. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO
Sachverhalt
Zum 1.7.2003 waren sechs neue Kommanditisten anstelle der bisherigen Alleinkommanditistin in die klagende KG sowie eine Schwester-KG eingetreten. Die Gesellschaften waren damals im Zusammenhang mit einer Insolvenz ihrer Kommanditistin in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Bei den Verhandlungen über den Eintritt der Neukommanditisten war vereinbart worden, dass diese in die Schwester-KG ca. 6,5 Mio. EUR einlegen sollten, um daraus anschließend Kredite zurückzuführen. Unter diesen Bedingungen waren die finanzierenden Banken bereit, auf Teile ihrer Forderungen zu verzichten. Eintritt, Einlagen und Forderungsverzicht wurden in einen unlösbaren Zusammenhang gestellt, dessen Einhaltung durch Zwischenschaltung eines Treuhänders gesichert wurde. So kam es der Abrede nach am 30.6.2003 bei der Klägerin zum Erlass von Bankverbindlichkeiten in Höhe von ca. 1,5 Mio. EUR.
Die Klägerin rechnete den Gewinn der Altkommanditistin zu, während das FA der Auffassung war, der Gewinn sei ungeachtet der zeitlichen Entstehung vor dem Gesellschafterwechsel den Neugesellschaftern zuzurechnen, weil der Erlass an die Einlagen der Neugesellschafter geknüpft gewesen sei.
Das FG wies die gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erhobene Klage ab (FG Münster, Urteil vom 14.7.2010, 7 K 2168/07 F, Haufe-Index 2388684, EFG 2010, 1984).
Entscheidung
Wegen unterlassener Beiladung der Neugesellschafter hob der BFH das FG-Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück. Es sei nicht nur die Beiladung nachzuholen, sondern es müssten auch Feststellungen dazu getroffen werden, ob nach den Vereinbarungen über den Eintritt die Alt- oder Neugesellschafter die erlassenen Schulden wirtschaftlich hätten tragen sollen. Denn der Gewinn aus dem Erlass sei demjenigen zuzurechnen, der die erlassenen Schulden anderenfalls hätte tragen müssen.
Hinweis
1. Das Urteil betrifft die Frage, wem der Gewinn aus einem Forderungsverzicht gegenüber der Personengesellschaft zuzurechnen ist, wenn der Verzicht im Zusammenhang mit einem Gesellschafterwechsel ausgesprochen wird.
a) Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Gewinn aus einem Forderungsverzicht Bestandteil des Gesamtgewinns der Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr. Der Gewinn entsteht mit Ablauf des Wirtschaftsjahrs. Er wird deshalb denjenigen Gesellschaftern zugerechnet, die zu diesem Zeitpunkt an der Gesellschaft beteiligt sind (BFH, Urteil vom 28.2.2013, IV R 50/09, BFH/NV 2013, 1036).
b)Scheiden im Lauf des Wirtschaftsjahrs Gesellschafter aus, ändert das an der handelsrechtlichen Existenz der Personengesellschaft nichts. Auch steuerlich bleibt die Personengesellschaft unverändert Subjekt der Gewinnerzielung und Gewinnermittlung. Es kommt also weder handelsrechtlich noch steuerlich zu einem Rumpfwirtschaftsjahr. Trotzdem macht der Gesellschafterwechsel steuerlich die Aufstellung einer Zwischenbilanz zur Ermittlung des bis zum Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels erzielten Gewinns erforderlich. Dies ist eine Folge der steuerlich unmittelbaren Zuordnung des Gewinns der Gesellschaft zu ihren Gesellschaftern. Der bis zum Zeitpunkt des Wechsels erwirtschaftete Gewinn muss den bis dahin beteiligten Gesellschaftern anteilig zugerechnet werden.
c) Die Zwischenbilanz bewirkt, dass Geschäftsvorfälle zeitlich dem Zeitraum vor und nach dem Gesellschafterwechsel zugeordnet werden müssen. Entsteht ein Gewinn durch den Verzicht eines Gesellschaftsgläubigers auf seine Forderung, hängt die Zuordnung grundsätzlich von dem Tag ab, an dem der Verzicht zivilrechtlich wirksam wird.
2. Eine Besonderheit besteht in solchen Fällen, in denen der Forderungsverzicht und der Gesellschafterwechsel miteinander zusammenhängen. Dies ist häufig der Fall, wenn ein Sanierungskonzept für eine in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratene Gesellschaft einen Verzicht von Gläubigern und die Aufnahme kapitalkräftiger Neugesellschafter vorsieht. Fremd- und Eigenkapitalgeber machen ihre Sanierungsbeiträge dann wechselweise voneinander abhängig. Ist in einer solchen Konstellation der Forderungsverzicht Bedingung für den Eintritt in die Gesellschaft, will der Neugesellschafter in ein "saniertes" Unternehmen eintreten. Durch den Wegfall der Verbindlichkeiten wird dann nicht er, sondern werden die Altgesellschafter wirtschaftlich...