Leitsatz
Auch wenn zwei in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässige Ehegatten jeweils isoliert betrachtet die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG nicht erfüllen, sind bei der Überprüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG die Einkünfte der Ehegatten gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG zusammen zu rechnen, und es kann sich durch eine Zusammenrechnung der Einkünfte ein Anspruch der Ehegatten auf Zusammenveranlagung ergeben.
Sachverhalt
Der Kläger ist polnischer Staatsbürger, verheiratet und lebte im Streitjahr 2008 mit seiner Frau in Polen. Vom Mai bis August 2008 war er in Deutschland als Arbeitnehmer tätig. Im Rahmen seiner Steuererklärung 2008 beantragte der Kläger die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau. Das Finanzamt lehnte dies ab, da der Beklagte nicht unbeschränkt steuerpflichtig sei und die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG nicht vorlägen. Dies sei allerdings Voraussetzung für eine Zusammenveranlagung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG.
Entscheidung
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger ist als unbeschränkt ESt-pflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG und seine Ehefrau ist für Zwecke des § 26 EStG gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln, auch wenn beide isoliert nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG erfüllen. Nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG müssen die Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen ESt unterliegen oder die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte den verhältnismäßig gekürzten Grundfreibetrag nicht übersteigen. Der Kläger erzielte im Streitjahr inländische Einkünfte i. H. v. 7.401 EUR und ausländische Einkünfte i. H. v. 7.067 EUR. Die der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte betrugen somit nur ca. 51 %. Die Einkünfte aus Polen überstiegen auch den maßgeblichen Grundfreibetrag von 3.832 EUR (7.664 EUR × 50 %). Bei Überprüfung der Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG für den Kläger sind die Einkünfte der Ehegatten jedoch zusammen zu rechnen. Dies ergibt sich aus § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG, wonach bei Anwendung des § 1 Abs. 3 S. 2 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln ist. Somit übersteigen die nicht der deutschen ESt unterliegenden Einkünfte doch nicht den Grundfreibetrag.
Hinweis
Das für die Steuerpflichtigen positive Urteil entspricht sowohl dem Wortlaut des § 1a Abs. 1 Nr. 2 S. 3 EStG als auch der BFH-Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 20.08.2008, BStBl. II 2009, 708). Es bleibt aber anzumerken, dass Revision zugelassen wurde, da in dem vorliegenden Fall der Kläger in Polen nur unwesentlich geringere Einkünfte erzielte als in Deutschland.
Link zur Entscheidung
FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.06.2014, 6 K 6279/12