Leitsatz (amtlich)
Die Verfügung der Vollstreckungsbehörde (Finanzamt), mit der die Zwangsversteigerung eines Grundstücks beantragt wird, ist zumindest dann ein aussetzungsfähiger Verwaltungsakt, wenn sie die Feststellung enthält, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen (Bestätigung des Beschlusses vom 29.Oktober 1985 VII B 69/85 (BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236).
Orientierungssatz
1. Amtshilfe oder Rechtshilfe ist ihrem Wesen nach Unterstützung oder Beistand bei der Durchführung von Aufgaben der ersuchenden Behörde. Sie ist nicht geeignet, gesetzlich zugewiesene Aufgaben zu verschieben oder gesetzlich begründete Zuständigkeiten zu verändern. Danach kommt eine Amtshilfe oder Rechtshilfe dann nicht in Betracht, wenn das Handeln --wie etwa die Mitwirkung bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt oder die Wahrnehmung selbständiger Vollstreckungsmaßnahmen-- kraft Gesetzes dem ersuchten Gericht oder der ersuchten Behörde obliegt (Literatur).
2. Die Anordnung der Zwangsversteigerung ist eine selbständige Maßnahme des Amtsgerichts und obliegt diesem kraft Gesetzes.
3. Die Vorschrift des § 112 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 findet nur auf Handlungen Anwendung, die Gegenstand einer Amtshilfe sein können. Sie regelt die Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe, nicht aber die Frage, ob eine Maßnahme überhaupt Gegenstand einer Amtshilfe sein kann. Diese Frage ist in § 111 Abs. 2 AO 1977 geregelt. Die Regelung des § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 wird von der in § 112 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nicht betroffen, so daß eine Maßnahme, die nach § 111 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nicht Gegenstand einer Amtshilfe sein kann, weil sie zum Aufgabenbereich eines Gerichts gehört, auch nicht nach § 112 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 zum Gegenstand einer Amtshilfe werden kann (Literatur).
4. Die Regelungen in § 322 Abs. 3 AO 1977 bewirken hinsichtlich der Durchführung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nicht nur eine Beschränkung des Vollstreckungsgerichts, sondern auch der Vollstreckungsbehörde, und zwar in dem Maße, in dem es durch die rechtstechnischen Notwendigkeiten bei der Durchführung der Zwangsversteigerung aufgrund der Vorschriften im ZVG bedingt ist (vgl. BGH-Urteil vom 14.7.1951 V ZB 4/51).
5. Die Regelungen in § 322 Abs. 3 Sätze 2 und 3 AO 1977 dienen der Abgrenzung zwischen dem Funktionsbereich der Vollstreckungsbehörde und dem des Vollstreckungsgerichts, mit der gewährleistet werden soll, daß die Vollstreckungsbehörde die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der Vollstreckung trägt.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; AO 1977 §§ 118, 322 Abs. 3 Sätze 2-3, § 111 Abs. 2 Nr. 2, § 112 Abs. 1 Nrn. 1-2; FGO § 69 Abs. 2
Tatbestand
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) betreibt gegen den Antragsteller und Beschwerdegegner (Beschwerdegegner) wegen Umsatzsteuer in Höhe von 29 982,41 DM die Vollstreckung eines Haftungsbescheids. Unter Hinweis auf die Belastung eines Grundstücks des Beschwerdegegners mit einem eingetragenen Grundpfandrecht zur Sicherung der Abgaben beantragte das FA mit Verfügung vom 3.Juli 1986 beim Amtsgericht die Anordnung der Zwangsversteigerung des Grundstücks. Die Verfügung enthält neben diesem Antrag unter Hinweis auf § 322 Abs.3 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) die Bestätigung, daß die Forderungen vollstreckbar seien und daß die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung vorlägen.
Der Beschwerdegegner hat wegen des Antrags auf Anordnung der Zwangsversteigerung Klage erhoben und, nachdem er beim FA vergebens um Aussetzung der Vollziehung nachgesucht hatte, außerdem beantragt, die Vollziehung des Antrags auf Zwangsversteigerung nach § 69 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zur Entscheidung über die Klage auszusetzen.
Das Finanzgericht (FG) entsprach diesem Antrag und führte zur Begründung im wesentlichen aus: Der Antrag sei ein Verwaltungsakt. Den Akten könne nicht entnommen werden, daß er dem Beschwerdegegner bekanntgegeben worden sei.
Das FA begründet seine Beschwerde wie folgt:
Es sei streitig, ob der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung einen mit der Beschwerde anfechtbaren Verwaltungsakt darstelle. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß das zutreffe. Die Maßnahme sei als zwischenbehördlicher Akt anzusehen. Die mit dem Antrag verbundene Vollstreckbarkeitserklärung sei ein eigenständiger deklaratorischer Verwaltungsakt. Er könne die Qualität des Anordnungsantrags nicht berühren. Das werde daran deutlich, daß dieser Verwaltungsakt dem Betroffenen zeitlich vor einem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung bekanntgegeben werden könne. In einem solchen Fall stelle die Vollstreckbarkeitserklärung im Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung nur die Wiederholung einer früheren inhaltsgleichen Regelung dar, die nicht den Charakter eines Verwaltungsakts haben könne. Wenn aber die mit dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung verbundene Vollstreckbarkeitserklärung kein --neuer-- Verwaltungsakt sei, könne aus ihr auch nicht die Verwaltungsaktqualität des Antrags auf Anordnung der Zwangsversteigerung hergeleitet werden. Die Frage, ob dieser Antrag ein Verwaltungsakt sei, sei folglich unabhängig von der Vollstreckbarkeitserklärung zu beurteilen. Der Antrag sei ein Amtshilfeersuchen und entfalte keine unmittelbare Außenwirkung.
Die Bestätigung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung sei Bestandteil des Amtshilfeersuchens. Sie entspreche der nach § 16 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) notwendigen Bezeichnung des vollstreckbaren Titels und der Vorlage der für den Beginn der Zwangsvollstreckung erforderlichen Urkunden. Die Bestätigung sei statt der Bezeichnung des Titels und dessen Vorlage samt Zustellungsnachweis erforderlich, weil das Leistungsgebot und der Ablauf der Wochenfrist dem Grundbuchamt bzw. dem Vollstreckungsgericht dargetan werden müßten. Daran ändere § 322 Abs.3 Satz 2 AO 1977 nichts. Die Bestätigung werde nicht dadurch zum Verwaltungsakt, daß das Vollstreckungsgericht sie nicht zu prüfen habe. Diese Kompetenzbeschränkung entspreche der Rechtslage nach dem ZVG.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Antrags auf Anordnung der Zwangsversteigerung als unzulässig abzuweisen.
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
I.
Das FG hat zutreffend die Vollziehung der Verfügung, mit der die Anordnung der Zwangsversteigerung beantragt worden ist, ausgesetzt. Diese Verfügung ist zumindest deshalb ein aussetzungsfähiger Verwaltungsakt, weil sie neben dem Antrag i.S. des § 322 Abs.3 Satz 1 AO 1977 die Bestätigung nach § 322 Abs.3 Satz 2 AO 1977 enthält, daß die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung) vorliegen. Wie der Entscheidung des Senats vom 29.Oktober 1985 VII B 69/85 (BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236) zu entnehmen ist, sind Verfügungen mit einem derartigen Inhalt aussetzungsfähige Verwaltungsakte (so im Ergebnis auch Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15.Aufl., § 322 AO 1977 Anm.7; Schwarz in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8.Aufl., 104.Lieferung, § 322 AO 1977 Anm.43; Klein/ Orlopp, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 322 Anm.4; Dumke in Schwarz, Abgabenordnung, Freiburg, 37. Ergänzungslieferung, § 322 AO 1977 Rdnr.23 a). Da nicht festgestellt werden kann, daß die Verfügung dem Beschwerdegegner bekanntgegeben worden ist, bestehen an deren Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel (vgl. BFHE 145, 17, 22 f., BStBl II 1986, 236, 239).
II.
Der Auffassung, daß die streitbefangene Verfügung kein Verwaltungsakt sei, kann nicht gefolgt werden.
1. Der Senat teilt nicht die Auffassung, die Verfügung könne deshalb kein Verwaltungsakt sein, weil der darin enthaltene Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung --wie das FA meint-- ein Amtshilfeersuchen darstelle, das auch die Bestätigung des Vorliegens der Voraussetzungen der Zwangsversteigerung --als Bestandteil-- umfasse oder ein zwischenbehördlicher Akt sei (vgl. Erlaß des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 18.Juli 1986 IV A 5 - S 0540 - 2/86, BStBl I 1986, 357).
a) Die Verfügung entspricht nicht den Anforderungen, die an ein Amtshilfeersuchen zu stellen sind.
aa) Als Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Amtshilfe sind im Streitfall die §§ 111 ff. AO 1977 zu berücksichtigen.
Vorschriften über die Rechtshilfe (§§ 156 ff. des Gerichtsverfassungsgesetzes --GVG--, § 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit --FGG--) müssen schon deshalb außer Anwendung bleiben, weil sie nur die Hilfeleistung von Gerichten untereinander regeln. Im übrigen kommt es im Streitfall auch nicht auf die Abgrenzung zwischen Rechtshilfe und Amtshilfe an und insbesondere auch nicht darauf, ob als Rechtshilfe nur eine richterliche Handlung oder nur die Hilfeleistung eines Gerichts oder einem Gericht gegenüber oder nur die Unterstützung bei einer Rechtspflegeaufgabe anzusehen ist (zur Abgrenzung vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2.Aufl., § 4 Rdnr.6; Förster in Koch, Abgabenordnung, 3.Aufl., § 111 Rz.2; Wolf, Gerichtsverfassungsrecht aller Verwaltungszweige, 6.Aufl., S.51; Schlink, Die Amtshilfe, 1982 S.43 f.). Denn im Streitfall kommt sowohl eine Amtshilfe als auch eine Rechtshilfe deshalb nicht in Betracht, weil die Handlung, auf die das in der Verfügung enthaltene Begehren gerichtet ist, zu den Aufgaben des Gerichts gehört, die diesem durch Gesetz zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zugewiesen sind.
Amts- oder Rechtshilfe ist ihrem Wesen nach Unterstützung oder Beistand bei der Durchführung von Aufgaben der ersuchenden Behörde (vgl. Maunz in Maunz/Dürig, Grundgesetz, 1. bis 26.Lieferung, Art.35 Rdnr.1). Sie ist nicht geeignet, gesetzlich zugewiesene Aufgaben zu verschieben oder gesetzlich begründete Zuständigkeiten zu verändern (vgl. Schmidt-Bleibtreu/ Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 6.Aufl., Art.35 Rdnr.3; Schlink, a.a.O., S.150, 152 f.). Danach kommt eine Amts- oder Rechtshilfe dann nicht in Betracht, wenn die Handlung, um deren Vornahme ersucht wird, zum Aufgabenbereich des ersuchten Gerichts oder der ersuchten Behörde gehört (vgl. § 111 Abs.2 Nr.2 AO 1977; vgl. auch Schlink, a.a.O., S.226 ff.). Das trifft immer dann zu, wenn das Handeln --wie etwa die Mitwirkung bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt oder die Wahrnehmung selbständiger Vollzugsmaßnahmen-- kraft Gesetzes dem ersuchten Gericht oder der ersuchten Behörde obliegt (vgl. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4.Aufl., § 4 Anm.11; Schlink, a.a.O., S.227).
Die vom Amtsgericht geforderte Handlung, die Zwangsversteigerung des Grundstücks anzuordnen, ist --ähnlich der einer Mitwirkung bei einem mehrstufigen Verwaltungsakt oder einer selbständigen Vollzugsmaßnahme-- eine selbständige Maßnahme des Gerichts und obliegt diesem kraft Gesetzes. Sie ist im Gesetz (§§ 15 ff. ZVG) besonders geregelt und gehört zum gesetzlich bestimmten Aufgabenbereich des Amtsgerichts als Vollstreckungsgericht i.S. des § 1 ZVG (vgl. § 15 ZVG).
bb) Diese Aufgabenzuweisung an das Gericht durch das Gesetz wird von den Vorschriften der AO 1977 über die Aufgaben der FÄ als Vollstreckungsbehörden nicht berührt.
Die Maßnahmen, die zur Durchführung der Zwangsversteigerung eines Grundstücks getroffen werden müssen, sind im ZVG bestimmt. Von diesen Maßnahmen fällt nur der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung nach § 15 ZVG in den Aufgabenbereich der FÄ als Vollstreckungsbehörden (§ 322 Abs.3 Satz 1 AO 1977). Durch die Regelungen in § 322 Abs.3 Sätze 2 und 3 AO 1977, die als Sonderregelungen gegenüber den Vorschriften in § 16 ZVG über den Inhalt des Antrags auf Anordnung der Zwangsversteigerung und die diesem beizufügenden Anlagen anzusehen sind, wird zwar das FA verpflichtet, im Zusammenhang mit dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung das Vorliegen der Voraussetzungen für die Vollstreckung zu bestätigen, und dem Vollstreckungsgericht im Sinne des ZVG wird --ausdrücklich-- die Befugnis zur Prüfung dieser Bestätigung auf ihre sachliche Richtigkeit vorenthalten oder entzogen. Der übrige Aufgabenbereich des Vollstreckungsgerichts im Sinne des ZVG, der die Zwangsversteigerung von Grundstücken zum Gegenstand hat, und insbesondere die zu diesem Aufgabenbereich gehörende Anordnung der Zwangsversteigerung nach § 15 ZVG wird von den Regelungen in der AO 1977 aber nicht betroffen.
Die Regelungen in § 322 Abs.3 AO 1977 bewirken hinsichtlich der Durchführung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen nicht nur eine Beschränkung des Vollstreckungsgerichts, sondern auch der Vollstreckungsbehörde, und zwar in dem Maße, in dem es durch die rechtstechnischen Notwendigkeiten bei der Durchführung der Zwangsversteigerung aufgrund der Vorschriften im ZVG bedingt ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 14.Juli 1951 V ZB 4/51, BGHZ 3, 140, 144).
cc) Eine --weitere-- Einschränkung des danach verbleibenden Aufgabenbereichs des Vollstreckungsgerichts zugunsten der FÄ als Vollstreckungsbehörden kann auch nicht aus § 112 Abs.1 Nr.1 AO 1977 hergeleitet werden. Danach kann eine Finanzbehörde insbesondere dann um Amtshilfe ersuchen, wenn sie die Amtshandlung aus rechtlichen Gründen nicht selbst vornehmen kann. Diese Vorschrift findet aber nur auf Handlungen Anwendung, die Gegenstand einer Amtshilfe sein können. Sie regelt, wie in ihrer Überschrift besonders ausgesprochen ist, die Voraussetzungen und Grenzen der Amtshilfe, nicht aber die Frage, ob eine Maßnahme überhaupt Gegenstand einer Amtshilfe sein kann. Diese Frage ist in § 111 Abs.2 AO 1977 geregelt. Von diesen Regelungen ist im Streitfall, wie bereits dargelegt, diejenige unter Nr.2 bedeutsam. Diese Regelung wird von der in § 112 Abs.1 Nr.1 AO 1977 nicht betroffen, so daß eine Maßnahme, die nach § 111 Abs.2 Nr.2 AO 1977 nicht Gegenstand einer Amtshilfe sein kann, weil sie zum Aufgabenbereich eines Gerichts gehört, auch nicht nach § 112 Abs.1 Nr.2 AO 1977 zum Gegenstand einer Amtshilfe werden kann (vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt, a.a.O., § 5 Rdnr.9; Schlink, a.a.O., S.232 ff., 234).
b) Eine lediglich zwischenbehördliche Wirkung des Antrags auf Anordnung der Zwangsversteigerung kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß der Antrag von einer Behörde an ein Gericht gestellt wird.
Gegen eine lediglich zwischenbehördliche Wirkung aus diesem Grunde spricht schon, daß der Antrag nach § 15 ZVG erforderlich ist, um eine Anordnung der Zwangsversteigerung durch das Vollstreckungsgericht zu erreichen. Es handelt sich also, wie auch in dem Wortlaut der Regelung in § 322 Abs.3 Satz 1 AO 1977 zum Ausdruck kommt, um den für die Anordnung der Zwangsversteigerung erforderlichen Antrag des Gläubigers im Sinne des ZVG (vgl. auch BGHZ 3, 140, 143), also um einen verfahrensrechtlich gebotenen Antrag, wie ihn jeder Gläubiger zu stellen hat, der eine Anordnung der Zwangsversteigerung erreichen will, und nicht etwa um ein spezifisches zwischenbehördliches Ersuchen.
Darüber hinaus spricht gegen eine lediglich zwischenbehördliche Wirkung dieses Ersuchens auch, daß der Antrag den Abschluß des behördlichen Vollstreckungsverfahrens bildet und daß das durch ihn anhängig gewordene gerichtliche Vollstreckungsverfahren gegenüber dem vorangegangenen behördlichen Vollstreckungsverfahren Eigenständigkeit besitzt und nicht als Fortsetzung dieses behördlichen Vollstreckungsverfahrens angesehen werden kann (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 322 AO 1977 Anm.33 ff., 35). Das wird vor allem dadurch bestätigt, daß der Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung in § 15 ZVG eine besondere Rechtsgrundlage hat, daß also nicht § 322 Abs.3 Satz 1 AO 1977 Rechtsgrundlage des Antrags ist und daß demnach die Frage, ob eine Eingabe der Vollstreckungsbehörde an das Vollstreckungsgericht als Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung zu behandeln ist, ausschließlich nach den Vorschriften des ZVG und nicht nach denen der AO 1977 zu beurteilen ist, was wiederum der Aufgabenverteilung zwischen Vollstreckungsbehörde und Vollstreckungsgericht entspricht (vgl. BGHZ 3, 140, 143).
2. Die streitbefangene Verfügung erfüllt zumindest deshalb die Anforderungen an einen Verwaltungsakt, weil sie neben dem --verfahrensrechtlich erforderlichen-- Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung auch die nach § 322 Abs.3 Satz 2 AO 1977 erforderliche Bestätigung enthält, daß die --gesetzlichen-- Voraussetzungen für die Vollstreckung (im Wege der Zwangsversteigerung) vorliegen.
a) Im Schrifttum wird weitgehend die Auffassung vertreten, bereits der für die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen erforderliche Antrag i.S. des § 322 Abs.3 Satz 1 AO 1977 --im Streitfall also der nach § 15 ZVG erforderliche Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung-- sei ein Verwaltungsakt (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., § 322 AO 1977 Anm.7; Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 322 AO 1977 Anm.43; Klein/Orlopp, a.a.O., § 322 Anm.4; Dumke in Schwarz, a.a.O., § 322 Rdnr.23 a; a.A.: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., § 322 AO 1977 Tz.17; Wolf in Koch, a.a.O., § 322 Rdnr.19; Fischer in Gröger/Schöll, Abgabenordnung, 1985, § 322 Erl.10).
Für die Richtigkeit dieser Auffassung spricht bereits, daß es sich bei dem Antrag, wie dargelegt, um eine eigenständige behördliche Maßnahme handelt, durch die das behördliche Vollstreckungsverfahren abgeschlossen wird.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 3, 140, 144 f.) die Vollstreckungsbehörde --auch ohne eine Bestätigung des Vorliegens der gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen, die im Zeitpunkt der Entscheidung des BGH im Gesetz noch nicht vorgesehen war-- die Verantwortung dafür zu tragen hat, daß die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen und daß das Vollstreckungsgericht nach dieser Rechtsprechung --auch ohne die genannte Bestätigung-- nicht prüfen darf, ob die der Vollstreckung zugrunde liegende Forderung vollstreckbar ist und ob die Voraussetzungen vorliegen, die gegeben sein müssen, um Steueransprüche durch Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen beitreiben zu können.
Das bedeutet, daß nach dieser Rechtsprechung schon allein die Stellung des Antrags auf Anordnung der Zwangsversteigerung dazu führt, daß die Vollstreckungsbehörde in dem gerichtlichen Verfahren auf Anordnung der Zwangsversteigerung eine gegenüber anderen Vollstreckungsgläubigern, die sich bei Einleitung eines entsprechenden Verfahrens nicht auf § 322 Abs.3 AO 1977 --oder auf eine entsprechende Vorschrift-- stützen können, besondere --günstigere-- Rechtsstellung erlangt und der Vollstreckungsschuldner --zumindest-- in seiner verfahrensrechtlichen Stellung davon betroffen --benachteiligt-- wird. Denn wenn das Vollstreckungsgericht in Fällen, in denen eine Vollstreckungsbehörde einen Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung i.S. des § 322 Abs.3 Satz 1 AO 1977 gestellt hat, abweichend vom üblichen Verfahren (vgl. Steiner, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9.Aufl., §§ 15, 16 Rdnr.50; Zeller/Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 12.Aufl., § 15 Rdnr.3.5) schon allein aufgrund des Antrags der Vollstreckungsbehörde nicht zu prüfen hat, ob die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, so können der Vollstreckungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag durch das Vollstreckungsgericht keine Nachteile daraus erwachsen, daß im Einzelfall Vollstreckungsvoraussetzungen nicht gegeben sind. Andererseits kann unter der genannten Voraussetzung der Vollstreckungsschuldner abweichend vom üblichen Verfahren (vgl. Steiner, a.a.O., Rdnr.244 f.; Zeller/Stöber, a.a.O., § 1 Rdnr.59.6, § 15 Rdnr.32) sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß Vollstreckungsvoraussetzungen fehlen.
Folgt man der erwähnten Rechtsprechung des BGH, so erschöpft sich bereits die Wirkung des schlichten Antrags der Vollstreckungsbehörde auf Anordnung der Zwangsversteigerung also nicht darin, daß durch ihn das Verfahren wegen Anordnung der Zwangsversteigerung beim Vollstreckungsgericht anhängig wird. Durch den Antrag werden dann vielmehr auch die Befugnisse des Vollstreckungsgerichts in dem anhängigen Verfahren und außerdem die --zumindest-- verfahrensrechtliche Stellung der Vollstreckungsbehörde in ihrer Eigenschaft als Beteiligter am gerichtlichen Vollstreckungsverfahren (Gläubiger, vgl. § 9 ZVG) sowie die Lage des Schuldners als Verfahrensbeteiligter (vgl. § 9 ZVG) besonders, und zwar unmittelbar gestaltet.
Trifft das zu, so ist die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß schon der schlichte Antrag entsprechend den Anforderungen an einen Verwaltungsakt eine behördliche Maßnahme ist, durch die ein Einzelfall geregelt wird und die nicht nur die prozessuale Wirkung eines gerichtlichen Rechtsbehelfs hat, und daß sie auch zumindest deshalb unmittelbare Rechtswirkungen nach außen hat, weil --wie aufgezeigt-- die Lage des Vollstreckungsschuldners als Beteiligter am Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht davon betroffen wird.
Schon diese Auswirkung ist auch geeignet, die Voraussetzung eines Verwaltungsakts zu erfüllen, nach der die Maßnahme auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein muß. Der entgegengesetzten Auffassung (vgl. Hundt-Eßwein in Betriebs- Berater --BB-- 1986, 1338) kann nicht gefolgt werden. Denn insoweit kommt es darauf an, ob eine Maßnahme darauf gerichtet ist, Rechte zu begründen, festzustellen oder abzuändern, wobei als Recht jedes von der Rechtsordnung als schutzwürdig zu behandelndes Individualinteresse anzusehen ist und wobei es ausreicht, daß das betroffene Recht auch dem Individualinteresse dient (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 1.März 1978 8 C 99/76, BVerwGE 55, 280, 285). Die rechtliche Möglichkeit des Vollstreckungsschuldners auf Prüfung des Vorliegens der Vollstreckungsvoraussetzungen in einem gerichtlichen Verfahren wegen Anordnung der Zwangsversteigerung, das nicht durch einen Antrag i.S. des § 322 Abs.3 Satz 1 AO 1977 --oder einer entsprechenden Vorschrift-- eingeleitet worden ist, dient zumindest auch dessen Individualinteressen und insbesondere dessen schutzwürdigem Interesse an einer rechtmäßigen Anordnung. Das wird dadurch bestätigt, daß der Vollstreckungsschuldner üblicherweise die Beachtung seiner Einwendungen gegen das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen durch Rechtsbehelfe (Erinnerung nach § 766 der Zivilprozeßordnung --ZPO-- oder sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO; vgl. Steiner, a.a.O., § 15 Rdnr.244; Zeller/Stöber, a.a.O., § 1 Rdnr.59.6, § 15 Rdnr.32) auch durchsetzen kann. Wie dargelegt, wird diese Rechtsstellung --bei Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH-- durch den Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung abgeändert.
b) Es braucht allerdings nicht entschieden zu werden, ob der aufgezeigten Rechtsprechung des BGH in Fällen, in denen § 322 Abs.3 AO 1977 zu beachten ist, noch gefolgt werden kann oder ob die Einfügung der Regelung in § 322 Abs.3 Satz 2 AO 1977 bewirkt, daß das Vollstreckungsgericht an der Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen aufgrund § 322 Abs.3 Satz 3 AO 1977 nur dann gehindert ist, wenn die Vollstreckungsbehörde das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen ausdrücklich bestätigt hat. Da die streitbefangene Verfügung die Bestätigung i.S. des § 322 Abs.3 Satz 2 AO 1977 enthält, hat zumindest diese im Zusammenhang mit dem Antrag auf Anordnung der Zwangsversteigerung --unmittelbar-- eine Änderung der rechtlichen Lage des Beschwerdegegners in dem Verfahren vor dem Amtsgericht entsprechend den vorstehenden Ausführungen herbeigeführt.
Kommt es für die Beurteilung der streitbefangenen Verfügung als Verwaltungsakt auf die Bestätigung des Vorliegens der Vollstreckungsvoraussetzungen an, so tritt die dargestellte Wirkung auf die Lage des Vollstreckungsschuldners als Verfahrensbeteiligter zwar dadurch ein, daß das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen für das Verfahren wegen Anordnung der Zwangsversteigerung vor dem Vollstreckungsgericht verbindlich festgestellt wird, wie sich bereits aus der Entscheidung des Senats in BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236 ergibt. Das reicht aber, wie den Darlegungen des Senats in dieser Entscheidung ebenfalls zu entnehmen ist, aus, um der Verfügung die Eigenschaft eines Verwaltungsakts zu verleihen. Insbesondere bleibt dann die in der Bestätigung enthaltene Feststellung des Vorliegens der Vollstreckungsvoraussetzungen zumindest wegen der aufgezeigten --nachteiligen-- Auswirkungen auf den Vollstreckungsschuldner in seiner Stellung als Verfahrensbeteiligter im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren nicht ohne Außenwirkung.
c) Das Ergebnis, die streitbefangene Verfügung zumindest wegen der Wirkungen als Verwaltungsakt anzusehen, die von der in ihr enthaltenen Bestätigung nach § 322 Abs.3 Satz 2 AO 1977 ausgehen, entspricht auch der Bedeutung des Verwaltungsakts als eines Zweckbegriffs, "der bestimmte Dienste leisten soll" (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10.Aufl., S.195, 196, 200 f.). Dazu gehört vor allem, daß er --als "rechtsstaatliches Korrektiv" der Befugnisse der Verwaltung-- zum Gegenstand eines lückenlosen Rechtsschutzes gemacht werden kann (vgl. Wolff/Bachoff, Verwaltungsrecht I, 9.Aufl., S.370).
Danach erscheint es geboten, den Begriff des Verwaltungsakts so anzuwenden, daß der Zweck der Rechtsschutzgewährung auch erreicht werden kann. Im Streitfall entspricht die Behandlung der streitbefangenen Verfügung als Verwaltungsakt dem Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdegegners als Vollstreckungsschuldner.
Auch im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, daß bereits gegen den Antrag der Vollstreckungsbehörde an das Vollstreckungsgericht Rechtsschutz zugunsten des Vollstreckungsschuldners zu erlangen sein muß (vgl. Gaul in Juristenzeitung --JZ-- 1979, 496, 501, mit weiteren Hinweisen). Dadurch wird die aufgezeigte --nachteilige-- Änderung der Rechtslage für den Vollstreckungsschuldner als Beteiligter am Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht wieder ausgeglichen mit der Folge, daß der Vollstreckungsschuldner unabhängig davon, ob die Anordnung der Zwangsversteigerung unter Anwendung des § 322 Abs.3 AO 1977 oder in einem Verfahren lediglich nach den Vorschriften des ZVG angestrebt wird, die Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen im --behördlichen oder gerichtlichen-- Vollstreckungsverfahren verhindern kann, wenn die Voraussetzungen der Vollstreckung nicht vorliegen, und daß er die Beachtung seiner Einwendungen gegen das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen noch vor Beendigung der Vollstreckung und unmittelbar gegen den Antrag als Vollstreckungsmaßnahme --notfalls auch im Rechtswege-- durchsetzen kann.
Ein Bedürfnis für diesen Ausgleich entfällt nicht schon deshalb, weil der Vollstreckungsschuldner, wie das FA meint, mit Hilfe einer Leistungsklage die Anordnung verhindern oder rückgängig machen könnte. Es kann dahingestellt bleiben, ob überhaupt eine Leistungsklage gegeben ist oder ob nicht eine Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Einstellung der Zwangsvollstreckung erhoben werden müßte. Denn weder durch eine Leistungsklage noch durch eine Verpflichtungsklage könnte die dargestellte Beeinträchtigung des Vollstreckungsschuldners in dem Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht infolge der Maßnahme nach § 322 Abs.3 Satz 2 AO 1977 ausgeglichen werden. Das kann nur dadurch erreicht werden, daß dem Vollstreckungsschuldner die Möglichkeit gegeben wird, sich mit seinen Einwendungen gegen die Vollstreckungsvoraussetzungen unmittelbar gegen die Maßnahme zu wenden, die die Änderung seiner Lage in dem gerichtlichen Vollstreckungsverfahren bewirkt.
Die Regelungen in § 322 Abs.3 Sätze 2 und 3 AO 1977 stehen dem nicht entgegen. Die Aufnahme der Bestimmungen, nach denen das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Vollstreckung durch die Vollstreckungsbehörde zu bestätigen und diese Bestätigung der Nachprüfung durch das Vollstreckungsgericht entzogen ist, in die AO 1977 wird damit begründet, daß diese Rechtslage der Aufteilung der Funktionen bei der Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen zwischen Vollstreckungsbehörde und Vollstreckungsgericht entspricht (vgl. Begründung des Entwurfs einer Abgabenordnung --AO 1974--, zu § 305 Abs.3, BTDrucks VI/1982 S.183). Danach dienen die genannten Vorschriften der Abgrenzung zwischen dem Funktionsbereich der Vollstreckungsbehörde und dem des Vollstreckungsgerichts (vgl. dazu auch BGHZ 3, 140, 144 f.), mit der erkennbar gewährleistet werden soll, daß die Vollstreckungsbehörde die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der Vollstreckung trägt. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, daß der Rechtsschutz des Vollstreckungsschuldners im Verhältnis zu dem in einem Verfahren vor dem Vollstreckungsgericht, in dem § 322 Abs.3 AO 1977 nicht zu beachten ist, beeinträchtigt werden sollte.
Auch die im Schrifttum aufgeworfene Frage, ob ein Rechtsschutz im Wege der Anfechtungsklage unter Berücksichtigung des Bedürfnisses einer zügigen Durchführung der Vollstreckung als angemessen angesehen werden könne (vgl. Gaul, a.a.O.), kann nicht zu dem Ergebnis führen, daß dem Vollstreckungsschuldner der Rechtsschutz gegen einen Antrag nach § 322 Abs.3 AO 1977 zu versagen wäre. Sie vermag allenfalls die Erwägung zu rechtfertigen, ob gegen den Antrag ein vereinfachter Rechtsschutz zu gewähren sei (so im Ergebnis auch Gaul, a.a.O.). Welcher Rechtsschutz zu gewähren ist, muß aber der bestehenden Rechtslage entnommen werden. Danach ist als Maßnahme des vorläufigen Rechtsschutzes für den Streitfall die Aussetzung der Vollziehung vorgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 62194 |
BStBl II 1988, 566 |
BFHE 152, 53 |
BFHE 1988, 53 |
BB 1988, 1450-1451 (LT1) |
HFR 1988, 380 (LT1) |